ohne Wolken, »our fluffy friends«, wie Gavin Pretor-Pinney, Gründer der Cloud Appreciation Society sie nennt? Bedrückend, gnadenlos, öde. Nicht nur würden ohne ihren Niederschlag die Luft verdrecken und Pflanzen eingehen — wie Pollenallergiker und Gartenbesitzer im Moment sicher gerne bestätigen. Wolken sind auch Vehikel, auf denen unsere Gedanken reisen können und gleichzeitig lässt sich an ihnen die momentane Laune der Atmosphäre ablesen.

Die zwei unabhängigen Betrachtungsebenen, nämlich die Schönheit der Wolken, ihre Rezeption über die Jahrhunderte einerseits und ihre Physik andererseits, führt ein ganz hervorragendes Buch zusammen: The Cloudspotter's Guide von besagtem Herrn Pretor-Pinney. (Erst heute habe ich entdeckt, dass es auch eine deutsche Übersetzung davon gibt, siehe unten.) Er strukturiert seinen Rundumblick im Wesentlichen anhand der offiziellen zehn Wolkengattungen sowie ein paar Begleitphänomenen. Hauptsächlich lernen wir also, was Cumulus, Cumulonimbus, Stratus, Stratocumulus, Altostratus, Altocumulus, Nimbostratus, Cirrus, Cirrocumulus und Cirrostratus sind (abgesehen davon, verwirrend ähnliche Wörter zu sein), wie man sie voneinander unterscheidet, wie sie entstehen, in welchen Unterarten und Variationen sie auftreten und was sie über das Wetter erzählen. Nebenher erfahren wir zudem, wie welche Arten von Niederschlag entstehen, Wolken und Eiskristalle in der Atmosphäre bestimmte optische Effekte hervorbringen, wie man künstlich Regen erzeugt, Kalt- und Warmfronten Wetter und Wolkenbild verändern und so weiter, ohne dass das Buch jemals in eine Physikvorlesung abgleitet. Pretor-Pinney findet eingängliche Beispiele und Metaphern, mit denen sich die Vorgänge verstehen lassen, kehrt aber danach immer wieder zur Bedeutung und Poesie der Wolken zurück.

Dabei pflegt er einen unterhaltsamen, angelsächsisch-ironischen Ton, nimmt seine eigene Begeisterung gerne auf die Schippe und versteht es, die vielen Fotos, Tabellen und Diagramme mit witzigen Unterschriften und Details zu würzen. Beispielsweise das »Foto« einer gleichmäßig grauen Fläche (»It is not hard to see why some call Altrostratus the boring cloud«), oder eine Tabelle mit Niederschlagsarten nach Wolkentyp, in der neben Hagel, Schneeflocken usw. eine Spalte »Cats and Dogs« versteckt ist. Es macht Spaß, das Buch zu lesen und sich von seiner Wolkenbegeisterung anstecken zu lassen. Nur an einer Stelle fühlte ich mich angegriffen, wenn es im Manifest der Cloudspotter nämlich heißt: »We pledge to fight “blue-sky thinking” wherever we find it.«. Man muss ja nicht gleich persönlich werden.

Der Cloudspotter's Guide ist trotz der lockeren Aufbereitung kein Buch, das sich ratz-fatz weglesen ließe; es erfordert Aufmerksamkeit und manches Zurückblättern. Denn gewisse Phänomene sind zu komplex, als dass sie sich beim allerersten Lesen erschlössen, und der Haufen lateinischer Begriffe aus der Klassifikation will auch gemerkt sein (»If all this Latin freaks you out, don't worry — it freaks me out, too«). Aber, ich kann versprechen, die Mühe lohnt. Sie werden nach der Lektüre den wolkenbestückten Himmel wacher und mit neuen Augen sehen. Und er wird an dramatischer Schönheit nichts verlieren, auch wenn Sie jetzt wissen, dass da gerade in der untergehenden Sonne eine Cirrocumulus floccus undulatus über einer Herde Cumulus mediocris schwebt. Vorausgesetzt natürlich, Sie gehen anderen damit nicht auf die Nerven.
Gavin Pretor-Pinney, The Cloudspotter's Guide
Deutsche Ausgabe: Wolkengucken — Ein Handbuch
Website: Cloud Appreciation Society
Wikipedia: Wolkenklassifikation
Antville-Fotoblog: Cloudscapes
Kommentare 
Engländer und Wolken
Der englische Künstler John Constable war ein großartiger Wolkenmaler.
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Oh ja, danke für den Link mit den Bildern. Im Buch wird er kurz als "perhaps Britain's best cloud painter" erwähnt und dass er Wolken als das Zentralorgan der Stimmung in Landschaftsbildern betrachtet, aber leider nicht abgebildet (was vermutlich dem fehlenden Farbdruck geschuldet ist).
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Gern geschehen. Ich sah einmal einiger seiner Wolkenstudien im Original und war hin und weg. Hätte ich mir am liebsten für daheim einpacken lassen.
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