Fr. Etosha hat mich mit ihrem vergnüglichen Seminarleitfaden an die verquerste Schulung erinnert, die ich je zu halten hatte, bei der dermaßen viel schief ging, dass es schon fast wieder lustig war.
Ich arbeitete bei einer kleinen Firma, die sich (noch lange vor eCommerce und Blogs) dem Content Management verschrieben hatte, mit Hilfe von SGML, dem Vorläufer des heute verbreiteten XML. Kunde war eine mittelständische Druckerei aus Luxemburg, die eine extrem umfangreiche Dauer-Fachpublikation im Auftrag des Staats herzustellen hatte, jeden Tag so um die 4 bis 8 Hefte à 48 Seiten. Deren IT-Abteilung sah irgendwann ein, dass die Produktion angesichts ständig steigenden Volumens und Forderungen nach elektronischer Veröffentlichung nicht mehr das Gelbe vom Ei war, solange man mit einem auf Papierlayout angelegten Werkzeug wie Quark XPress arbeitete; sogar die Inhaltsverzeichnisse wurden noch von Hand gemacht. So kam man mit uns ins Geschäft. Wir schneiderten ein Content-Management-System zurecht, schraubten dazu Datenbank, Editor und Satzprogramm zusammen und lieferten alles aus. Schon bis dahin gab es immer wieder Probleme, weil sich die Vorgaben der Druckerei als unzureichend herausstellten. Es fing damit an, dass das beschriebene Datenmodell ausschließlich Deutsch, Französisch und Englisch als Publikationssprachen vorsah und es nur wenige Stunden dauerte, bis ich im überlassenen Stapel von Beispielausgaben auf einen Artikel in einem merkwürdigen Dialekt stieß, der sich nach kurzer Recherche als Lëtzebuergesch herausstellte. So ging es im Projekt weiter, für nahezu jede Vorgabe fand sich nach etwas Suchen ein Gegenbeispiel. Das hätte uns zu denken geben sollen.
Nach einem sehr holprig verlaufenen Pilotierungs-Start bat man uns, das neue Redaktionssystem auch den eigentlichen Benutzern beizubringen. Das war mein Job und so fuhr ich für drei Tage nach Luxemburg. Es fing damit an, dass Sommer war, jeden Tag über 32 Grad und sehr schwül. Der einzige klimatisierte Raum, den ich noch als angenehmen Besprechungsraum kennengelernt hatte, war inzwischen der Serverfarm der Druckerei gewichen, so dass die Schulung in einem stickigen Großraumbüro stattfinden musste. Direkt nebenan befand sich, nur durch dünne Fenster getrennt, die Druckereihalle, deren Maschinen uns einen irrwitzigen, konstanten Lärmpegel bescherten. Nicht genug, es gab weder Leinwand noch Overheadprojektor, von einem Beamer ganz zu schweigen. Nun gut, mit ausgedruckten Unterlagen und Flipchart ließ sich auch schon einiges reißen, wenn es auch für den praktischen Teil etwas, nun ja, umständlich war, die Software einem Dutzend Leuten an einem einzigen Monitor zu demonstrieren. Wir hatten zudem nur das halbe Büro (in dem sich keine Trennwände befanden) zur Verfügung, in der anderen Hälfte saßen allen Ernstes Leute, die normal weiterarbeiteten. Und ich, der ich meine ganze Schulung auf die übliche Zielgruppe »Redakteur« abgestellt hatte, musste schon in der ersten Stunde feststellen, dass mein ganzer Aufbau Käse war. Die Teilnehmer waren angelernte Schreibkräfte und kannten nicht mal Internet oder Webbrowser; wie sollte ich Ihnen da auch nur etwas über HTML erklären? Mein Fehler, ganz klar, nicht ausreichend vorbereitet.
Bis hierhin war alles noch sportliche Herausforderung, da machte es auch schon keinen Unterschied mehr, dass drei Teilnehmer nur Französisch sprachen, so dass ihnen ständig jemand nebenher aus dem Deutschen übersetzen musste. Das eigentliche Problem lag aber noch ganz woanders. Wie sich herausstellte, hatte unser Ansprechpartner aus der IT-Abteilung nämlich zuvor schon versucht, das Redaktionssystem zu schulen, wurde aber von den Teilnehmern derart mit Beschwerden überhäuft, dass er abbrach und stattdessen meine Firma bzw. nun mich als externen Trainer vorschickte. Und was sich im Projektverlauf schon unterschwellig gezeigt hatte, nämlich dass Vorgaben und Wirklichkeit nicht immer zusammenpassten, verdichtete sich zur Gewissheit: Große Teile des Redaktionssystems waren an der Realität vorbei entwickelt worden. Es gab viele weitere Geschäftsregeln und Sonderfälle, nach denen die Publikation funktionierte, von denen wir nie gehört hatten und die unsere Lösung natürlich nicht abdecken konnte. Die IT-Abteilung der Druckerei hatte offenbar niemanden von den eigentlichen Benutzern eingebunden, die dieses ganze Wissen besaßen und stets untereinander weitergegeben hatten.
Und der Grund dafür? Dumme Arroganz. Es waren ja alles nur Schreibkräfte, die hatten nichts mitzureden und schon gar keine Ahnung vom Geschäft, meinte man. Entsprechend wurde auch ihre Kritik nicht ernst genommen, im Gegenteil. Wer dort den Mund aufmachte, dem wurde wohl auch schon mal vor Augen gehalten, wie schnell ein anderer gefunden sei. Oder besser gesagt: eine andere. Denn natürlich waren die meisten betroffenen Mitarbeiter weiblich (die IT-Abteilung hingegen komplett männlich). Auf diese Weise wurde ich - wie ich fand auf durchaus hinterhältige Weise - in einem ganz anderen Konflikt instrumentalisiert. Vielleicht war es meine freundliche Art, wahrscheinlich aber auch nur das Stockholm-Syndrom: Ich versuchte zu retten, was ging, und mir nebenher alles zu notieren, was noch nicht ging. Und dankbar, dass ihnen jemand zuhörte, baten mich am Ende die Teilnehmer, ob nicht ich nochmal mit der Geschäftsleitung sprechen könne, dass die Software in dieser Form unbrauchbar sei und sich damit nicht arbeiten ließe. Das muss man sich vorstellen, wie es um die Kommunikation und Kultur in einer Firma bestellt ist, wenn die Angestellten einen ahnungslosen, dahergelaufenen Jungspund im Anzug bitten, ihren Standpunkt bei den eigenen Chefs zu vertreten.
Ich tat meine Pflicht, gab nach oben weiter, was nicht ging und warum, und mahnte an, in Zukunft die Benutzer einzubinden. Ansonsten war ich heilfroh, von dieser Schulung nach Hause fahren und danach nie wieder etwas für das Projekt tun zu müssen, wo ich zum Zeitpunkt der Schulung schon einen Arbeitsvertrag mit einer anderen Firma in der Tasche hatte. Ob das Projekt jemals zum Fliegen kam, weiß ich nicht einmal. Aber dafür, wieviel Geld und Zeit man sinnlos vernichten kann, wenn man nicht einmal das Wissen seiner einfachen Angestellten kennt und schätzt.
Ich arbeitete bei einer kleinen Firma, die sich (noch lange vor eCommerce und Blogs) dem Content Management verschrieben hatte, mit Hilfe von SGML, dem Vorläufer des heute verbreiteten XML. Kunde war eine mittelständische Druckerei aus Luxemburg, die eine extrem umfangreiche Dauer-Fachpublikation im Auftrag des Staats herzustellen hatte, jeden Tag so um die 4 bis 8 Hefte à 48 Seiten. Deren IT-Abteilung sah irgendwann ein, dass die Produktion angesichts ständig steigenden Volumens und Forderungen nach elektronischer Veröffentlichung nicht mehr das Gelbe vom Ei war, solange man mit einem auf Papierlayout angelegten Werkzeug wie Quark XPress arbeitete; sogar die Inhaltsverzeichnisse wurden noch von Hand gemacht. So kam man mit uns ins Geschäft. Wir schneiderten ein Content-Management-System zurecht, schraubten dazu Datenbank, Editor und Satzprogramm zusammen und lieferten alles aus. Schon bis dahin gab es immer wieder Probleme, weil sich die Vorgaben der Druckerei als unzureichend herausstellten. Es fing damit an, dass das beschriebene Datenmodell ausschließlich Deutsch, Französisch und Englisch als Publikationssprachen vorsah und es nur wenige Stunden dauerte, bis ich im überlassenen Stapel von Beispielausgaben auf einen Artikel in einem merkwürdigen Dialekt stieß, der sich nach kurzer Recherche als Lëtzebuergesch herausstellte. So ging es im Projekt weiter, für nahezu jede Vorgabe fand sich nach etwas Suchen ein Gegenbeispiel. Das hätte uns zu denken geben sollen.
Nach einem sehr holprig verlaufenen Pilotierungs-Start bat man uns, das neue Redaktionssystem auch den eigentlichen Benutzern beizubringen. Das war mein Job und so fuhr ich für drei Tage nach Luxemburg. Es fing damit an, dass Sommer war, jeden Tag über 32 Grad und sehr schwül. Der einzige klimatisierte Raum, den ich noch als angenehmen Besprechungsraum kennengelernt hatte, war inzwischen der Serverfarm der Druckerei gewichen, so dass die Schulung in einem stickigen Großraumbüro stattfinden musste. Direkt nebenan befand sich, nur durch dünne Fenster getrennt, die Druckereihalle, deren Maschinen uns einen irrwitzigen, konstanten Lärmpegel bescherten. Nicht genug, es gab weder Leinwand noch Overheadprojektor, von einem Beamer ganz zu schweigen. Nun gut, mit ausgedruckten Unterlagen und Flipchart ließ sich auch schon einiges reißen, wenn es auch für den praktischen Teil etwas, nun ja, umständlich war, die Software einem Dutzend Leuten an einem einzigen Monitor zu demonstrieren. Wir hatten zudem nur das halbe Büro (in dem sich keine Trennwände befanden) zur Verfügung, in der anderen Hälfte saßen allen Ernstes Leute, die normal weiterarbeiteten. Und ich, der ich meine ganze Schulung auf die übliche Zielgruppe »Redakteur« abgestellt hatte, musste schon in der ersten Stunde feststellen, dass mein ganzer Aufbau Käse war. Die Teilnehmer waren angelernte Schreibkräfte und kannten nicht mal Internet oder Webbrowser; wie sollte ich Ihnen da auch nur etwas über HTML erklären? Mein Fehler, ganz klar, nicht ausreichend vorbereitet.
Bis hierhin war alles noch sportliche Herausforderung, da machte es auch schon keinen Unterschied mehr, dass drei Teilnehmer nur Französisch sprachen, so dass ihnen ständig jemand nebenher aus dem Deutschen übersetzen musste. Das eigentliche Problem lag aber noch ganz woanders. Wie sich herausstellte, hatte unser Ansprechpartner aus der IT-Abteilung nämlich zuvor schon versucht, das Redaktionssystem zu schulen, wurde aber von den Teilnehmern derart mit Beschwerden überhäuft, dass er abbrach und stattdessen meine Firma bzw. nun mich als externen Trainer vorschickte. Und was sich im Projektverlauf schon unterschwellig gezeigt hatte, nämlich dass Vorgaben und Wirklichkeit nicht immer zusammenpassten, verdichtete sich zur Gewissheit: Große Teile des Redaktionssystems waren an der Realität vorbei entwickelt worden. Es gab viele weitere Geschäftsregeln und Sonderfälle, nach denen die Publikation funktionierte, von denen wir nie gehört hatten und die unsere Lösung natürlich nicht abdecken konnte. Die IT-Abteilung der Druckerei hatte offenbar niemanden von den eigentlichen Benutzern eingebunden, die dieses ganze Wissen besaßen und stets untereinander weitergegeben hatten.
Und der Grund dafür? Dumme Arroganz. Es waren ja alles nur Schreibkräfte, die hatten nichts mitzureden und schon gar keine Ahnung vom Geschäft, meinte man. Entsprechend wurde auch ihre Kritik nicht ernst genommen, im Gegenteil. Wer dort den Mund aufmachte, dem wurde wohl auch schon mal vor Augen gehalten, wie schnell ein anderer gefunden sei. Oder besser gesagt: eine andere. Denn natürlich waren die meisten betroffenen Mitarbeiter weiblich (die IT-Abteilung hingegen komplett männlich). Auf diese Weise wurde ich - wie ich fand auf durchaus hinterhältige Weise - in einem ganz anderen Konflikt instrumentalisiert. Vielleicht war es meine freundliche Art, wahrscheinlich aber auch nur das Stockholm-Syndrom: Ich versuchte zu retten, was ging, und mir nebenher alles zu notieren, was noch nicht ging. Und dankbar, dass ihnen jemand zuhörte, baten mich am Ende die Teilnehmer, ob nicht ich nochmal mit der Geschäftsleitung sprechen könne, dass die Software in dieser Form unbrauchbar sei und sich damit nicht arbeiten ließe. Das muss man sich vorstellen, wie es um die Kommunikation und Kultur in einer Firma bestellt ist, wenn die Angestellten einen ahnungslosen, dahergelaufenen Jungspund im Anzug bitten, ihren Standpunkt bei den eigenen Chefs zu vertreten.
Ich tat meine Pflicht, gab nach oben weiter, was nicht ging und warum, und mahnte an, in Zukunft die Benutzer einzubinden. Ansonsten war ich heilfroh, von dieser Schulung nach Hause fahren und danach nie wieder etwas für das Projekt tun zu müssen, wo ich zum Zeitpunkt der Schulung schon einen Arbeitsvertrag mit einer anderen Firma in der Tasche hatte. Ob das Projekt jemals zum Fliegen kam, weiß ich nicht einmal. Aber dafür, wieviel Geld und Zeit man sinnlos vernichten kann, wenn man nicht einmal das Wissen seiner einfachen Angestellten kennt und schätzt.