Diese Boulevardmagazine und Pseudodokus, wie sie inzwischen überall gesendet werden, bei den Öffentlichen bald schlimmer noch als den Privaten, garantiert so informationsfrei wie empörungssicher, immer schön Einzelpersonen und -Fälle vor die Kamera zerren, mit billigen Mitteln und Off-Kommentaren Stimmung machend. »Raser«, »Mietnomaden«, »Sozialschmarotzer«, »Stromklauer«, »Autoversicherungsnichtbezahler«, um manche Begriffe kann man gar nicht so viele Anführungszeichen setzen, wie man möchte, ich kann es nicht mehr sehen.

Alles wird immer schlimmer, meingott bin ich anständig dagegen, hoffentlich kriegen sie das Schwein, boah ist das ungerecht, was der/die alles bekommt: Die großen Ungerechtigkeiten finden nicht mehr statt, dagegen werden Neid und Abgrenzungstrieb aktiviert, so kann sich aller Ärger gegen Einzelne richten, die Nation sitzt selbstschulterklopfend vor der Kiste, ach wären nur alle so rechtschaffen wie wir, und die Macher halten das vermutlich auch noch für Enthüllungsjournalismus. Zum Kotzen.

Was läuft sonst? Die 1548. Begleitung einer Lebensmittelproduktion als Sendung mit der Maus für Erwachsene, vielleicht auch mal wieder Empfangsdame eines Luxushotels oder ähnlich Mitreißendes, Ballermann-Berichte scheinen gottseidank derzeit aus der Mode, auf N24 dafür vielleicht schneidige Militärfahrzeuge, Monstertrucks oder die größten Schw*nze Brücken, Tanker, Türme der Welt, wobei meist nichts anderes dokumentiert wird als die Ideenlosigkeit, mit der manche Sender ihre Zeit mit auf dem amerikanischen Markt eingekauftem und schlecht synchronisiertem Schrott füllen. Dann noch ein paar Schaufensterpuppen, die von Nichts Ahnung haben, sich aber für Ranga Yogeshwar halten und uns »Wissen« vermitteln möchten in einer Handvoll fünfminütiger Einspieler von der Tauchtiefe eines Surfbretts. Okay, Tierdokus gibt es ein paar ganz nette quer durch die Sender, heißen alle entweder "Unser blauer Planet", "Waschbär, Panther und Co" oder so ähnlich, in einem Drittel von ihnen geht es irgendwie um Haie, der Rest ist okay und tut keinem weh. Über die üblichen Historyformate mag ich nichts mehr sagen, außer dass ich mit Spannung auf Hitlers Lieblingswurstbuden warte.

Aber: Warum nicht mehr Dokumentationen über die Verflechtung von Medien und Werbung? Darüber, wie Firmen Dokumentationen oder sogar fiktionale Stoffe bei Fernsehsendern platzieren? Über die Trostlosigkeit im Agenturmeldungsabschreiballtag von Redaktionen? Über PR, Politik und Lobbyarbeit? Die Macht von Pharma-, Finanz-, Energie- und Automobillobby in Deutschland? Eine Serie über den tatsächlichen Nutzen der bisherigen »Terrorgesetzgebung«, oder vielleicht mal was über Abmahnungswellen? Und zwar ganz ohne den allzu plakativen Einzelfall, sondern den Alltag, wie überhaupt und selbstverständlich inzwischen so eine Gesetzesvorlage vom Industrieverbandsbüro plötzlich auf dem Tisch eines Bundestagsausschusses liegt. Wer von wem Geld bekommt und wie sich das mit seiner Gremienarbeit verträgt. Ohne gespielte Empörung und die billigen Boulevard-Mätzchen aus der Emotionsmanipulationskiste. Politikkompetenz und Medienkompetenz. Ich würde mir das gerne ansehen.

Ach, an manchen Tagen sollte ich die Kiste einfach ausgeschaltet lassen.