Bei einer größeren Handelskette in Erlangen kann man an der Kasse zuweilen ein merkwürdiges Ritual beobachten. Zu Beginn des Kassenvorgangs stehen Kassiererinnen auf, beugen sich über das Laufband und lesen eine vierstellige Zahl ab, die am Einkaufswagen unten, nahe den Rädern angebracht ist. Diese Zahl tippen sie dann in die Kasse, um anschließend (wieder sitzend) den Einkauf wie gewohnt Teil für Teil über den Scanner zu ziehen.

»Statistik«, denkt man kurz, sofern man sich überhaupt etwas denkt, »sicher irgendwas mit Data Mining, weswegen sie dann anschließend die Chips zum Bier räumen und den Wein neben die Vorspeisentheke«. Aber betrachtet man das ganze genauer, zerbröselt jeder vermutete Sinn wie eine Packung dänischer Butterkekse in der Sonne. Welche Waren zusammen gekauft werden, steht bereits auf dem Kassenzettel, ganz ohne Wagennummer. Irgendwelche Optimierungen in der Wagenlogistik können es auch nicht sein, schließlich kümmert sich auf dem Gelände sonst auch niemand darum, welche Nummern die Wagen haben. Eine Verfolgung der Wagen im Supermarkt selbst (um die Wege der Kunden zwischen den Regalen zu analysieren) wäre zwar höchst lohnend für jeden Anbieter, aber wenn schon, dann wohl nur in vollautomatischer Form, weswegen die zeitraubende, manuelle Eingabe ausgerechnet in der Kassengasse wiederum ausgeschlossen werden kann. Warum also um alles in der Welt möchte der Betreiber seine Drahtgestelle an der Kasse identifizieren? Und warum macht er das nicht effizienter, z. B. indem er die Nummer am Griff markiert und nicht ausgerechnet bei den Rädern?

Es ist alles ganz anders, die Nummern sind komplett irrelevant. Supermärkte haben nämlich ein kleines Problem. Einerseits gibt es Diebe, die gerne mal eine Packung Rasierklingen, ein Fläschchen Weinbrand für zwischendurch oder die Kuschelrock 143 in mitgeführten Taschen und Rucksäcken an der Kasse vorbeischieben. Andererseits fühlt sich der rechtschaffene Kunde verständlicherweise schnell angep verunglimpft, beugte sich die Kassenkraft bei jedem vorüber rollenden Wagen über das Laufband, um einen argwöhnischen Blick auf womöglich darin verbliebene Behältnisse zu werfen. Über den Kassen montierte Spiegel tragen ebenfalls nicht gerade zu der vertrauensvollen Atmosphäre bei, in die man seine Kunden zwecks Stimulation der Kauflust gerne hüllen würde.

Jetzt ergibt das merkwürdige Ritual seinen Sinn. Einmal übers Band gebeugt, nebenbei den Wagen inspiziert, die vermeintlich wichtige Nummer notiert, fertig. Ganz schön pfiffig. Und die technische Kontrolle der Kontrolle ist mit der Eingabe der Nummer in die Kasse gleich eingebaut. Alles prima, wenn... ja wenn der Mensch nicht einerseits träge, andererseits im Allgemeinen hilfsbereit wäre. Und so melden viele Kunden brav in vorauseilendem Gehorsam ihre Wagennummer selbst, die Verkäuferinnen nicken, tippen die Nummer ein und bleiben dankbar sitzen.
Wer sich prinzipiell für hinterhältiges
Design interessiert, sollte das Blog
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