So kommt es, dass der Deutsche nach Ladenschluss in sich geht und seine ganz individuelle Strategie der Selbsterlösung entwirft. Wahlweise wird er dann zum Vegetarier oder verzichtet aufs Fernsehen, hangelt sich von einer Diät zur nächsten oder zieht aufs Land, trägt nur noch dicke Wollsocken oder verkauft sein Auto. Oder er wird zum Vegetarier, trägt nur noch Wollsocken und verkauft sein Auto. Denn die einzelnen Elemente der Erlösungsstrategie sind frei kombinierbar und können so passgenau auf die jeweilige Lebenssituation zugeschnitten werden. Ein nicht zu unterschätzender Nebeneffekt dieses modularen Charakters der Askese ist, dass sie fashion-kompatibel wird - also problemlos der jeweils aktuellen Mode angepasst werden kann. [Q]La Deutsche Vita (ein Blog, dass ich ausgesprochen gerne lese) bringt es klug auf den Punkt. Essen, Kleiden, Wohnen, Kindererziehung: Kaum etwas, das ideologisch unbesetzt und frei von Rechtfertigungspotential (und -zwängen) wäre. Irgendwie erinnert mich die derzeitige Energiespardebatte an den Mülltrennungsexzess der 90er Jahre, der ja auch mehr mit dem Reinwaschen gefühlter Umweltschuld als tatsächlichem Umweltschutz zu tun hatte.
Nichts gegen Energiesparen und Abgasminderung, immer schon eine gute Sache. Ich werde im Moment nur nicht den Verdacht los, dass 1. nach jahrelangen wirkungslosen Absichtserklärungen der Unternehmen es jetzt wieder die Verbraucher richten sollen, und 2. bald ein neuer missionarischer Eifer entbrennt, die überzogensten Bestrafungen für vermeintlich schädliche Verhaltensweisen zu finden. Das in dieser Beziehung dankbare Thema Rauchen ist ja mittlerweile etwas ausgelutscht, da kommt eine neue Spielwiese für die Demonstration politischer Handlungsfähigkeit (und eigener Gutheit) nur gelegen.
Nachtrag: Offenbar bin ich mit dem Thema ohnehin
Im Ernst, es wäre lustig, diesem momentanen blinden Aktionismus zuzuschauen, wenn das eigene Leben nicht irgendwie doch schon auch davon betroffen wäre. Und, wenn man nicht seit Jahren wüsste, dass die Klimakatastrophe sich nicht nur anbahnt, sondern bereits vollkommen anwesend ist.
Eines allerdings ist meines Erachtens gut an der derzeitigen wilden Veröffentlichung diverser Theorien und Thesen: Selbst Kinder und Omis in Bussen und U-Bahnen auf dem Weg zu Kaffeeklatsch und Schule haben die Klimakatastrophe als Thema entdeckt.
Schwierig. Ich habe diese Gesamtgüterabwägung vorhin mal runtergebrochen auf den Erwerb von Papiertaschentüchern. Die Schlussfolgerung, dass man dem Erdklima den besten Dienst erweisen würde, wenn man die Atmung vollständig einstellt, habe ich mir mühsam verkniffen.
Sämtliche der thematisierten Entwicklungen passieren, mit Ihrer oder ohne Ihre Aufmerksamkeit, das ist denen herzlich egal.
So egal ist mir das alles freilich nicht, denn ich versuche nach wie vor das meinige zu tun. Und da ist es mir selbst beim Kauf eines Zwölferpacks Papiertaschentücher nicht zu blöd, eine bewusste Güterabwägung zu treffen. Eine Verpflichtung, mir den allgegenwärtigen Hysterieschuh anzuziehen, vermag ich aber nicht zu erkennen.
Im Grunde arbeitet diese Art von Politik paradoxerweise gegen das Verantwortungsgefühl des einzelnen.