Über ein halbes Jahr haben wir die Responsorien von Gesualdo intensiv geprobt, wohl das Herausforderndste, was ich bislang gesungen habe. Sechs Stimmen, die den lateinischen Text aus der Passionsgeschichte eigenständig und stets gegeneinander verschoben singen, expressiv komponiert und in (Dis-)Harmonien, denen man ihre 400 Jahre nicht anhört. Jetzt war die Zeit, unseren leicht nach Studenten müffelnden und akustisch matten Seminarraum zu verlassen, in dem wir uns wöchentlich treffen, und das Ergebnis aufzuführen. Gestern abend der zweite Auftritt, diesmal in Dormitz in der Nähe von Erlangen. Im Anschluss an den Gottesdienst, den wir mit einem Credo und Sanctus aus einer Messe von Taverner begleiteten, sangen wir die Responsorien zum Gründonnerstag, zwischendurch drei Mal unterbrochen von passenden Texten aus Psalmen und Klageliedern.

Dormitzer Kirche
Und wie wir sechs im Raum hinter dem Altar standen und sangen, trug uns die Akustik des Chorgewölbes davon, die die eigene Stimme und die der anderen wunderbar voll und sauber wiedergab und den gebündelten Klang genauso in den Kirchenraum transportierte, wie man uns nachher sagte. Zeit und Zuhörer vergessend sangen wir wie für uns selbst, konzentriert und hellwach, die reihum gehenden Erkältungen und alle Müdigkeit der letzten Wochen verflogen. Ich weiß nicht, wie ich meinen Zustand währenddessen und danach beschreiben soll, aber das Wort Erfüllung käme darin vor.
Am 5. April (Gründonnerstag) führen wir nochmal auf,
evangelische Kirche in Weisendorf um 19:30 Uhr.
Kommentare 
wow. da wär ich ja gern mal anwesend, wird aber wohl nüscht.
und ja, kirchen haben eine wirkung. man muss aber auch was mitbringen.
[ link ]
Ja. Sich selbst, vor allem.
[ link ]
Klingt nach einem guten Zustand. Umso mehr, wenn es gelingt, ein wenig davon in den Alltag zu retten.

Für die nächsten drei Wochen mache ich mir allerdings bei Ihnen gar keine Sorgen :)
[ link ]
Ich auch nicht. :)
[ link ]
Oh, Gesualdo, ich liebe Gesualdo.
Da wäre ich ja gerne gekommen, nur sind sie so verdammt weit weg.
Am Mittwoch singe ich auch, leider nicht Gesualdo, sondern Bachs Johannes Passion mit einem Barockorchester, das wird sicher auch ganz schön.

Ich wünsche ihnen noch ein schönes Konzert am Donnerstag und vor allendingen noch viel mehr von der "Erfüllung", die sie in ihrem Text so wunderbar und passend beschrieben haben.
[ link ]
Oh, die Johannespassion mag ich auch. Vor Bach hab ich immer großen Respekt, schon alleine, weil ich diese schnellen Achtelfolgen nie sauber hinbekomme... Ihnen auch viel Freude bei der Aufführung!
[ link ]
Ja, singen macht glücklich! Es entsteht eine ganz eigene Trance. Vielleicht wird beim Chorsingen zusätzlich das Bedürfnis nach dem Dazugehören gestillt? Jedenfalls ist es eines der besten Gefühle überhaupt! Schön, dass du uns teilhaben lässt!
[ link ]
Bedürfnis nach dem Dazugehören trifft es ungefähr. Ich würde es eher noch die Erfahrung nennen, unverzichtbarer Teil eines Ganzen zu sein.
[ link ]
Das haben sie wunderschön beschrieben. Genau so ist es!!!
In meinem Kammerchor stehen wir inzwischen nicht mehr nach Stimmen sortiert, sondern in kleinen gemischten Gruppen. Das hat dem Chorklang sehr gut getan, stärk es eben diese Eigenverantwortlichkeit und gleichzeitig das ein " Teil des Ganzen " zu sein.
[ link ]
Ja, Singen ist das beste, was man in Kirchen machen kann. Als Kind war ich begeisterter Kirchgänger um mitzusingen. Als ich dann aber mehr auf die Texte drumherum geachtet habe, ist mir leicht mulmig geworden :-)
[ link ]
Grob verkürzt gesagt, hätte ich ohne das Singen hätte wohl auch nicht in die Kirche zurück gefunden.
[ link ]
Zurück?
Inzwischen guck ich mir ja gern so Kirchtürme und das Interieur an, wegen Fottos. Singen ist ja nicht mehr so, seit dem Stimmbruch letztens.
[ link ]
Ja, zurück, gewissermaßen. Ist aber eine längere Geschichte und nicht unbedingt blogtauglich.
[ link ]
Ah, nix zum Rumalbern ...
Ist OK.
[ link ]
Jetzt hab ich grad in Heidelberg Bach verpaßt, dann setzen Sie noch was hinzu.
[ link ]
Schnell noch einen Blick in die Veranstaltungskalender werfen! Die Karwoche wimmelt nur so von Bachaufführungen allerorten.
[ link ]