...ins Blog zu stellen, scheint ja gerade Mode zu sein. Im Gegensatz dazu hier ein rundum gelungenes Bild (Meerschweinchen! Pfft.):
[Schon in diesen jungen Jahren versteht es der Schreiber, mit eng am athletischen Körper anliegender, knapper Kleidung Frauen wie Löwen gleichermaßen zu bändigen (beachten Sie den hypnotisierten Ausdruck des Tiers). Furchtloser Blick und abgeklärtes Lächeln machen klar, wer hier das Sagen hat. Kontrastierend dazu spricht die lässig-sanft katzenkraulende Hand vom weichen Kern, der sich schon damals unter der harten Schale verbirgt und später unzählige Mädchen um den Verstand bringen sollte. Die auf den Oberschenkel gestützte Hand demonstriert äußerste Entschlossenheit.]
Ein Mensch, eine Stimme. Drei, meistens vier oder fünf, manchmal sechs Stimmen. Aber nur ein Mensch je Stimme, der deutlichste Unterschied zum normalen Chor. Dein Einsatz muss mit der ersten Silbe präsent sein. Kein Reinschleichen, Ranhängen, Durchmogeln. Jede Stimme ragt zwischendurch als Gipfel über den Hügeln hinaus, auch deine, sie muss die Führung für kurze Zeit übernehmen, den neuen Vers beginnen, bevor die anderen ihn einen Viertel- oder halben Takt später übernehmen und weiter tragen. Wenn umgekehrt eine andere Stimme ihren neuen Themenkopf beginnt, darfst du deine breiten Noten darunter zuvor nicht absinken lassen; du musst intensiver werden, deine Energie auf den Punkt lenken, von dem der Andere wie von selbst in die neue Figur katapultiert wird. Zuerst war die Dichtung, dann die Musik: Staunen, Freude, Trauer, Bitterkeit, Süße, Resignation, alle Gefühle des Texts vom frühen Komponisten in die Musik gelegt, expressiv in Tempowechseln, Dynamik, Harmonien, Dissonanzen, Dialogen, die Möglichkeiten der damals unerhörten, neuen Polyphonie auslotend. Wie singt man Fragezeichen? Wie klingt ein freudiger Tod? Wie krude lässt sich das Wort crudo setzen? Wie süß ein Kuss? Mit wiederholten Proben werden Tonfolgen und Silben langsam vertraut, die Einsätze kommen nicht jedes Mal wieder überraschend; der Blick beginnt, sich von den Einzelnoten zu lösen und erstmals überblickst du ganze Verse; zunehmend kannst du den anderen zuhören, während du singst. Und mit einem Mal entsteht etwas, während sich alle auf den gemeinsamen Klang und den Fortlauf durch die Stimmen konzentrieren, vielleicht ausgerechnet in einer auskomponierten, gezielten Dissonanz, die du setzen musst gegen das Prinzip des geringsten Widerstands, den natürlichen Drang, erst einmal den harmonischsten Ton zu den restlichen singen zu wollen anstatt dich zu reiben: ein Moment, in dem sich plötzlich die Wolkendecke öffnet und du im Licht stehst. Für Sekunden nur. Ein kurzer Blick ins Paradies: ganz Stimme sein, eigenständig und doch ein Nichts ohne die Anderen, und die Anderen ein Nichts ohne dich; Teil eines Ganzen, das wir nicht alleine zustande zu bringen vermögen. Wenn es einen Gott gibt, dann habe ich ihn gesehen, in diesen Momenten.