Was ich auch noch nie ertragen habe: diese Geschichts-Dokumentationen mit nachgestellten Szenen, wie sie seit einigen Jahren in die Fernsehkanäle gepumpt werden. Moderne Stummfilme mit umgedrehter Motivation: Eigentlich hat man hauptsächlich Text und nur wenige bewegte Bilder zur Verfügung, aber weil der Bildschirm nicht schwarz bleiben kann und man dem Publikum nicht zutraut, einem sprechenden Menschen mehr als zehn Sekunden zusehen zu wollen, müssen nun historisch korrekt gekleidete Darsteller stumm, doch innerlich bewegt zu Texten aus dem Off durch Studiokulissen stapfen oder ergriffen ins Nichts schauen. Dazu nölt im Hintergrund ein Synthesizer mit billigem Streicher-Sound vor, welche Emotion der Zuschauer gerade empfinden soll. Klebrig und anmaßend.

Gute Dokumentationen beschränken ihre Bilder - neben Interviews von Zeitzeugen oder Experten - auf authentisches Material, vielleicht unterstützt von Karten oder Simulationen, um komplizierte Vorgänge zu veranschaulichen. Sie lassen dem Zuschauer Raum, sich ein eigenes Bild zu machen, auch von den handelnden Personen und ihrer Motivation. Dazu braucht es keine pseudo-authentischen und letztlich informationsfreien Stummfilmszenen, keine mit Sülzmusik unterlegten, merkwürdig beleuchteten Großaufnahmen von Darstellern mit aufgerissenen Augen. Dazu reicht der unterlegte Text.

Wenn man schon anfängt, Bilder zu erfinden, dann auch richtig: in Form kompletter Dialogszenen (in Erinnerung blieb mir hier z. B. die herausragende Doku Deutschlandspiel über die letzten Tage der DDR) und nicht nur als Untermalung zu einem - vielleicht noch nicht einmal schlechten - Radiotext. Sonst muss ich spätestens nach fünf Minuten entnervt abschalten, so wie gestern bei dem Portrait von Gerd Bucerius, das mich eigentlich wirklich interessiert hätte.