Aber bled is scho. Sie kennen das ja, man steht irgendwo, guckt, und plötzlich denkt man: Was, wenn jetzt da oben was runterfällt. Oder man hockt zuhause, kann jemanden nicht erreichen und denkt: Was, wenn dem was unterwegs passiert ist. Eine der wenigen in dieser Hinsicht tröstlichen Einsichten, die sich über die Lebensjahre einstellen, ist ja, dass die Dinge, die man befürchtet, gemeinhin nie auf diese Weise eintreten. Dachte ich. So auch letztens, als ich in der Schlange der Autobahnauffahrt Erlangen-Mitte stand, wo es wegen einer Baustelle zwei Monate lang keine Beschleunigungsspur gab, sondern nur ein Stopschild.

Um in die Autobahn einzufahren, muss man schräg über die linke Schulter schauen. Im Laufe der Wochen hatte ich mindestens fünf-sechs Mal Fahrzeugpaare am Rand im Bankett stehen sehen, wo der Hintermann zwar auf diese Weise den Verkehr auf der Autobahn abgepasst, sich aber vorm Tritt aufs Gaspedal leider nicht vergewissert hatte, dass sein Vordermann auch schon losgefahren war.

So stand ich in der Schlange, gerade fuhren tatsächlich schon wieder zwei Autos vom Gras neben der Auffahrt los, die wohl das gleiche Schicksal getroffen hatte. »Mann, das könnte mir auch passieren«, dachte ich, während ich in den Rückspiegel schaute und kritisch den jungen Herrn im goldfarbenen Golf hinter mir beäugte, der schon seit dem Verlassen des Firmenparkhauses hinter mir fuhr. »Ach was, blue sky, das kann nicht. Erstens sind da gerade erst zwei zusammengekracht, und zweitens denkst du darüber nach, also kann es gar nicht eintreten.«

Jetzt stand ich vorne. Der Mann hinter mir schaute links über seine Schulter, schließlich ergab sich eine Lücke und noch bevor ich selbst Gas geben konnte, knallte er hinten rein. Nicht schlimm, nur mal wieder das Blech eingedrückt und verschiedene Teile verzogen (2000 Euro Schaden). Zahlt die gegnerische Versicherung, Wagen ist gerade in der Werkstatt, das ist alles ärgerlich, aber nicht das eigentliche Problem.

Dass ab sofort alles, was sich mein Hirn an Unglücken ausdenkt, trotzdem eintreten kann, das ist ein Problem.
Kommentare 
Das ist aber nur
ein Teil des Problems. Der andere Teil ist, dass durchaus auch Unglücke eintreten können, die sich unser eigenes Hirn nicht ausgedacht hat.

Aber den Zusammenhang, dass gedachte Dinge passieren, hat mal ein Kollege von mir so ausgedrückt: Cogito, ergo bumm!
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Sehr schön, das trifft in meinem Fall ins Schwarze. Dass natürlich alles mögliche eintreten kann, von dem wir nicht einmal zu (alp)träumen wagten, ist klar. Ggf. finden sich im Nachhinein noch tröstliche Erklärungen (Gott, Schicksal, Sterne), ansonsten hilft ja nur hartnäckiges Ignorieren, wenn man seine Tage nicht zusammengekauert unterm Bett verbringen will.
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Vor jedem meiner unverschuldeten Autounfälle warnte mich meine innere Stimme. Und jedesmal, wenn ich dann ach, was dachte, ist es kurz danach prompt passiert. Seither nehme ich diese Warnungen sehr ernst und tue sie nicht mehr mit einem ach, was ab.

Bislang hat sich das immer gerächt, wenn ich meine Intuition nicht ernst genommen habe.
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Wenn ich recht überlege, war ich sogar auch in einer ganz merkwürdigen Stimmung (siehe unter "Soll"). So wie an dem Abend, bevor mein Schwager sich nachts allein mit einem Auto um einen Baum wickelte (nur verletzt, gottseidank). Ich bin mir daher noch nicht ganz sicher, ob es wirklich unser Gefühl ist, was zum Unglück beiträgt (wie shraggy und etosha unten schreiben), oder ob es nicht vielmehr doch so etwas wie eine Ahnung vom Unausweichlichen ist - in meinem Blechschadenfall vielleicht tatsächlich Ersteres, im Fall meines Schwagers dagegen kaum.

Was tut man also, wenn die innere Stimme warnt? Letztlich weiß man ja nicht, wovor. Am Ende lässt man das Auto extra stehen und wird Opfer einer Gasexplosion im Nachbarhaus... Ein ganz schönes Dilemma, das mit der Zukunftsahnung.
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Meine Perspektive war bisher immer die, dass je länger man über etwas nachdenkt, die Wahrscheinlichkeit, dass es tatsächlich passiert, schleichend ansteigt. In einem Forum hat es mal jemand auf den Punkt gebracht, der schrieb: "Die Realität ist eine Autosuggestion."
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Ich bin ganz ähnlich gelagert mit meinem gedanklichen Gemälde eines worst case scenarios, das nie eintrat und werde die Methode beibehalten. Ich halte diesen einen Fall statistisch für unerheblich.
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Das rede ich mir auch ein. Aber die leisen Zweifel werde ich wohl nicht so schnell los.
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Ironischerweise könnte man postulieren, die Wahrscheinlichkeit, dass die von dir ausgedachten Unglücke eintreten, steigt (nochmal) mit dem Grad deiner Ab-Sofort-Überzeugung davon, dass sie eintreten werden.
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ich habe immer angst dass mir so was passiert wenn der hund hinten mitfährt. dass ich selber jemand reinfahre, will ich gar nicht bedenken!
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