Eisbär Knut ein halbes Jahr alt

Berlin - Eisbär Knut steht einmal mehr im Mittelpunkt des Interesses im Berliner Zoo. Er ist heute genau ein halbes Jahr alt. Knut nahm am Nachmittag vor mehreren tausend Zuschauern ein kleines Bad, tollte wie immer mit seinem Pfleger Thomas Dörflein herum und spielte mit seinen Plastikbällchen im Sand. Bei der ersten Vorführung des Bärenkindes am Morgen sangen einige Kinder Knut ein Ständchen.
[Quelle: dpa und damit hunderte andere]
Ja, das hält Deutschlands einflussreichste Agentur für eine Nachricht. Wer Faktoren sucht, warum Nachrichten boulevardesker werden und Zeitungen Bedeutung verspielen, sollte bei dpa anfangen.

(siehe auch: Psycho-Probleme, Fessel-Sex etc.)
Kommentare 
ach, und wo's gerade passt: Chronologie einer Falschmeldung
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DPA
ist nicht unbedingt die Hauptursache des Verflachungsproblems. Es gab vor ein paar Jahren bei etlichen Zeitungsverlagen eine tiefe strukturelle Unzufriedenheit mit dem Agenturmaterial von DPA. Einige Verlage wagten das Experiment, die Verträge zu kündigen und auf die Zulieferungen zu verzichten. Wie das im einzelnen ausgegangen ist und wie man sich allein mit dem Material der kleineren Anbieter beholfen hat, ist mir im Detail nicht bekannt. Zum Teil mögen vielleicht auch nur tariftaktische Spielchen bezüglich der Zuliefermodalitäten Auslöser für die Vertragskündigungen gewesen sein. Aber auf alle Fälle hat man sich bei dpa gesagt, dass die Verbreiterung des Angebots gerade auch in Richtung der "weicheren" Themen am ehesten die Marktposition festigen würde. Es ist ja auch nicht so gewesen, dass die Zeitungen bei dpa die großen politischen Analysen und sozialkritische Reportagen nachgefragt hätten.

Letztlich isses doch wie bei Autos auch: Es mag Zulieferer geben, die mal Formschwächen haben. Aber letztlich entscheidet der Hersteller, wie ers haben will, und der Zulieferer hat sich danach zu richten. Bei dpa liegt der Fall zwar insofern anders, als das auf Gesellschafterebene eine Gemeinschaftsveranstaltung der Verlage ist, aber das ändert nichts daran, dass das Agenturgeschäft im Normalfall eher kein angebotsgetriebener Markt ist, sondern eher nachfragegesteuert abläuft.
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Das sehe ich schon auch so, dass da eine große Nachfrage befriedigt wird. Erschütternd aber, dass fast alle Abonnement-Zeitungen dieses Material weitgehend unredigiert und ungeprüft ins Blatt heben und zudem ihre Internet-Angebote womöglich von vorneherein per Push-Modell daraus bestreiten.

Wie finanziell mies muss es den Verlagen gehen, dass sie sich auf diese Ebene begeben, wenn sie damit auch in den ernsten Themen von der Konkurrenz ununterscheidbar (und damit nochmal überflüssiger für den Kunden) werden? Ich verstehe das nicht. Und — Angebot und Nachfrage hin oder her — dass dpa eine dermaßen große Macht und Verbreitung hat (die im Kommentar verlinkte Geschichte bei Niggemeier macht das ja sehr deutlich), bereitet mir angesichts der Entwicklung schon Sorge. Mehr als »Bild«, von der erwartet man nichts anderes.
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mich hat´s schon in den fingern gejuckt, einen leserbrief zu schreiben: "euer verfickter scheißbär interessiert nicht für fünf cent. hoffentlich frisst er bald ein kind, damit ihr mal was weniger idyllischeres zu berichten wisst."
aber ich muss ja neuerdings auf meinen ruf achten. ;)
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Meines Wissens kehrte bald darauf der größere Teil der Verlage zur dpa zurück, nachdem es kräftig Rabatt gab (bis zu 18 Prozent), einige wenige Verlage blieben bei ihrem Verzicht. Nachrichtenagenturen gelten zu Recht als die größten PR-Schleudern, insofern sind sie in meinen Augen schon Teil des Problems.

Erschütternd aber, dass fast alle Abonnement-Zeitungen dieses Material weitgehend unredigiert und ungeprüft ins Blatt heben

Das hängt nicht unwesentlich mit der geringen Anzahl von Redakteuren zusammen, irgendwie muss die Seite ja voll werden. Wobei keiner, der noch ein bisschen etwas auf sich hält, eine dpa-Meldung völlig unredigiert ins Blatt hebt. Deren Meldungen sind in der Regel so grauslich getextet, das kann man keinem Leser zumuten.

Wie finanziell mies muss es den Verlagen gehen (...)

Soweit ich weiß, nagen die wenigsten Verleger wirklich am Hungertuch. Die meisten Probleme sind hausgemacht. Managementfehler. Zu spät auf die Entwicklungen reagiert.
Im Falle der Süddeutschen auch gierige Gesellschafter, die zuviel Geld entnommen haben sollen.
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Danke für den Hintergrund, Fr. Arboretum, das wusste ich nicht. Nun, zumindest was das Internet-Angebot angeht, texten die allerwenigsten noch irgendetwas um, da muss man nur mal per Google News querlesen. Höchstens noch die Überschrift.
(Eine amüsante Geschichte in dem Zusammenhang hat übrigens auch Fr. Link: »Ich warte auf die Agentur.«)

Dass es den Verlegern gar nicht so sehr schlecht geht, ist mir neu. Mir drängte sich in der Vergangenheit zumindest unterschwellig der Eindruck auf, wo es doch immer hieß, dass Werbeeinnahmen zurückgingen oder teilweise sogar Lokalredaktionen ausgetauscht würden (die ja nun eigentlich die Bank einer Abonnement-Zeitung sein sollten, wo überregionale Nachrichten doch überall woanders und einen Tag früher zu bekommen sind).

Ein triftiger, hausgemachter Grund aber fällt mir auch ein: Schlechte Qualität bei gleichzeitiger Arroganz. Der Hauptgrund z. B., warum ich nicht einmal die Erlanger Nachrichten abonniere. Es fehlt einfach jegliche Konkurrenz; in der ganzen Region gibt es seit langem nur noch den einen Verlag (wenn man Boulevardtitel außer acht lässt) und letztlich nur eine einzige Zeitung. Das spürt man und darauf wird sich offensichtlich immer noch ausgeruht.


Haha, Frau Morphin, machen Sie das mal. (Was ist denn mit Ihrem Ruf?)
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Das Klagen ohne zu leiden haben die Verlage schon ganz gut drauf gehabt. Und die sinkenden Werbeeinahmen in den vergangenen Jahren lieferten manchem die Begründung, die Kostenschrauben anzuziehen, bis es knirscht.

Hier am Ort gibt es etwas Konkurrenz bei den Regionalzeitungen, die Rheinische Post ist auch gar nicht sooo übel. Aber jeden Tag muss ich diese Ladung totes Holz echt nicht haben. Da ist einfach der Anteil an (für mich nutzlosem) Grundrauschen zu hoch. Ich gucke ab und zu in den Online-Lokalteil für unsere Verbundgemeinde und stelle meistens fest, dass mir nichts wesentliches gefehlt hätte, hätte ich nicht hingeklickt.
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Der damalige "Streik" gegen dpa hing meiner Erinnerung nach auch mit der oftmals unsinnigen bis knebelnden Bündelung von Pakten zusammen. Wer "Politik" wollte, mußte auch "Quatsch" nehmen und dazu noch was Regionales. So wollte dpa die Kosten für die Korrespondenten umlegen - was sich aber für kleinere Zeitung schon gar nicht lohnte, wenn die nur ein bestimmtes Themenpaket zukaufen wollten.

Die Anzeigenverkäufe steigen wieder an, die Gewinne auch - in erster Linie erntet man hier die Früchte des massiven Personalabbaus. Teilweise, siehe Süddeutsche, verdient man gut mit Nebengeschäften (Büchern, DVDs), bei anderen Verlagen ist aber z.B. das DVD-Geschäft wegen der hohen Remittenden und höheren Porto- und Logistikkosten oft ein Minusgeschäft. Derzeit werden in einigen Verlagen wieder ganze Abteilungen ausgesondert, immer wieder mal wird bei reinen Service-Redaktionen auch mit "Tschechien" oder "Polen" experimentiert.

Die Knutisierung ist in meinen Augen auch nur die Fortsetzung von "Sommermärchen", Gaga-TV und anderen Infantilisierungen. Siehe auch Kürzung der Politmagazine bei den Öffentlich-Rechtlichen auf eine halbe Stunde.
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Vielleicht sind diese Art Meldungen die NS-Heimatfilme der Jetztzeit, die mit belangloser Idylle den Vogelstraußkopfeinbuddelwohlklang und damit niedliche Ablenkung liefern in einer Welt, die zumindest scheinbar bedrohlicher wird?! Keine Ahnung. Mich interessiert auch nicht, wie es Paris Hilton im Knast geht und ob sie von dort aus telefonieren darf. Dass die Nachrichtenwertforschung aber allmählich ihre alten Raster neu justieren könnte, beginnt sich deutlicher herauszukristallisieren. Nicht zuletzt auch am Beispiel der dpa.
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Paris Hilton,
damit haben Sie nun wirklich das Stichwort geliefert, das bei mir die Sau vom Pflock lässt. Oder Pete Doherty. Soll sich der Knallkopf doch endlich mal gepflegt ins Nirwana schießen, damit Ruhe ist. Was mich interessiert es mich, ob die Bobbies wieder drei Grämmer was-auch-immer bei ihm gefunden haben oder ob er bekifft U-Bahn gefahren ist. Das alles interessiert mich genau wie Knuts Halbgeburtstag in etwa so viel, wie wenn am Bielefelder Bahnhofsimbiss ne Bockwurst platzt.

Aber irgendjemanden muss diese ganze verf*ckte Sch*iße ja interessieren, sonst würden die Redakteure diesen Mist nicht ständig so prominent auf die Startseiten und Titelblätter hieven.
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Das alles interessiert mich ... in etwa so viel, wie wenn am Bielefelder Bahnhofsimbiss ne Bockwurst platzt.

Hihi... danke!
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Aber irgendjemanden muss diese ganze verf*ckte Sch*iße ja interessieren, sonst würden die Redakteure diesen Mist nicht ständig so prominent auf die Startseiten und Titelblätter hieven.

Das machen die, weil die Verleger und Chefredakteure sagen: Druck das, das interessiert die Leute! Irgendwie haben die sogar recht. Die Freitagabendsfilme in der ARD (Degeto-Sendeplatz) fahren regelmäßig fette Quoten ein.
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@Ole: Dass die Sehnsucht nach dem Einfachen, Guten riesig ist, glaube ich auch. (Wobei der Vergleich zu früher natürlich insofern nicht passt, als dass heute keine bewusste Steuerung dahinter steht.) Dass man sich für Prominentenklatsch interessiert ist wohl auch nicht neu. Dass man aber mit den Geschichten z. B. von der enthirnten Partypuppe auf allen Kanälen bis in die seriösen Zeitungen hinein belästigt wird (auch über dpa, versteht sich), ich glaube das hätte es früher nicht gegeben™.

Ihre Wut macht Spaß, Hr. Mark. Und die Bielefelder Bahnhofsbockwurst auch. :)

Hr. Kid, ich stimme Ihnen zu. Natürlich ist das irgendwo richtig, die Sache mit Nachfrage und Angebot. Aber es stimmt sicher auch umgekehrt, dass Fernsehen und Zeitungen nach jedem bisschen Content geiern, was sie nur kriegen können. Wenn es schon fertig vorgekaut wurde und womöglich noch bewegte Bilder dazu existieren, umso mehr. Ob das auch wirklich jemanden interessiert, was diese Maschinerie Tag für Tag ausspuckt, spielt nach meinem Verdacht letztlich gar nicht mehr die Hauptrolle.
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ich wollte ein bisschen mehr drauf achten, welches gift ich welcher zeitung entgegenschleuere. ich suche nämlich gerade einen verlag als brötchengeber. beim stern hätte ich wahrscheinlich schon keine chance mehr. *g* und es ist auch als politisch neutrale schon schwer genug. ;)
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