> Trennt sich ein Mann, lässt er Frau und Kinder im Stich.
> Trennt sich eine Frau, befreit sie sich und die Kinder aus unerträglichen Verhältnissen.
> Getrennt lebende Väter kümmern sich nicht genügend um ihre Kinder und wollen daher meist nicht oder zu wenig Unterhalt zahlen.
> Mütter handeln im Interesse ihrer Kinder.
> Körperliche Gewalt geht vom Mann aus.
...

Natürlich weiß man, das sind platte Vorurteile, man kennt genügend Gegenbeispiele. Und doch... ist nicht was dran? Diese Annahmen sitzen tief, selbst bei denen, die es z. B. aufgrund ihres Berufs besser wissen sollten. Gerhard Amendt, emeritierter Bremer Professor für Geschlechter- und Generationenforschung, hat in einer umfangreichen Studie Erfahrungsberichte und Statistiken zusammengetragen, in denen er diesen Stereotypen auf den Grund geht und Trennung und Scheidung aus Sicht der Väter beleuchtet. In welchen Fällen schaffen es die Eltern, einen guten Kontakt im Sinne der Kinder zu halten? Wie gestalten Väter ihre Zeit mit den Kindern? Und vor allem geht er den Problemen auf den Grund: Was führt zum Abbruch der Beziehung des Vaters zu den Kindern? Wie kommt es dazu, dass Väter die Unterhaltszahlung kürzen oder verweigern? Wann kam es zu körperlicher Gewalt?

Durch das gesamte Buch hindurch vertritt er eine (in der Einleitung ausführlich begründete) Position der kritischen Solidarität, die zwar den Standpunkt der Väter einnimmt, aber auch problematisches Verhalten auf ihrer Seite kritisiert. So bleiben Inhalt und Sprache angenehm ideologiefrei, im Gegensatz zu manchen Gruppen von Vätern, wie man sie auch im Internet findet, deren juristische Kriege schon lange nichts mehr mit dem Interesse der Kinder zu tun haben. Von Frauengruppen ganz zu schweigen. Amendt macht sehr deutlich, dass es eben dieses Wohl der Kinder ist, das ihn eigentlich bewegt.

Die im Buch versammelten Erfahrungsberichte sind teilweise erschütternd. Sie zeigen, wie den Vätern, die nicht mehr im Alltag für ihre Kinder da sein können, ein zuvor oft maßgeblicher Teil der Identität wegbricht. Dass ihre Gesundheit und Arbeitsfähigkeit gefährdet sind; je schlechter der Kontakt zu den Kindern, desto mehr. Dass oft auch Gerichte und Jugendämter den obigen Vorurteilen erliegen, in manchmal sogar skandalöser Missachtung der Kinderinteressen. Dass denjenigen Vätern, die Zahlungen kürzen oder verweigern, zuvor fast immer andere Mittel genommen wurden, überhaupt Einfluss auf Umgang, Besuchszeiten und sonstige, die Kinder betreffenden Entscheidungen zu nehmen. Das heißt, sie wurden schon vorher auf ihre finanzielle Funktion reduziert. Und dass die extremste Form, der Kontaktabbruch, ebenfalls fast immer eine lange Vorgeschichte besitzt, in der sich Väter andauernder Ohnmacht und Demütigung ausgesetzt sahen.

Das ist erhellend zu lesen; zudem tat es natürlich gut, dass ich mich mit den meisten meiner Wünsche und heimlichen Ängste alles andere als alleine befinde. Und ich habe anhand einiger Berichte für mich auch neue Anstöße erhalten. Zum Beispiel, durchaus bestimmter meine Interessen als Vater zu vertreten. Weil die Kinder selbst nämlich auch einen deutlichen Fürsprecher ihres eigenen Wunschs nach gemeinsamer Zeit mit Papa brauchen, wenn sie sich damit zuweilen gegen Mamas Wünsche — und seien sie nur unterschwellig — stellen müssten. Ein Rückzieher um das Kind nicht in einen Konflikt mit der Mutter zu bringen kann auf diese Weise auch bedeuten, es nicht zu unterstützen.

Amendt bleibt am Ende des Buchs nicht bei der Psychologie der Einzelfälle stehen, sondern leitet aus seinen Ergebnissen auch politische Forderungen ab, die Situation von Trennungsvätern und mittelbar der Kinder zu stärken. Vor allem die nahezu rechtlose Position von unverheirateten Vätern (die mir in diesem Ausmaß gar nicht bekannt war).

Wenn Sie sich für dafür interessieren, was Väter bewegt und welche Dynamik und Verhaltensweisen auf beiden Seiten zu guten oder aber katastrophalen Folgen für die Kinder führen können, lesen Sie dieses Buch.

(Danke an Hrn. Dings für den Tipp!)
Gerhard Amendt, Scheidungsväter
Verlagsseite
Leseprobe
Kommentare 
Gerhardt Amendt macht ordentliche Studien zu interessantenThemen, ich habe den immer gern gelesen. Das erste Buch, was ich als Teenie von ihm in die Hände bekam, hieß Die Macht der Frauenärzte. Die Studie stammte noch aus der Zeit, in dem es kaum Gynäkologinnen gab, er kam damals auch zu erschreckenden Ergebnissen. Seine Studie Wie Mütter ihre Söhne sehen fand ich auch sehr erhellend (und teilweise sehr erschütternd).
[ link ]
Wie Mütter ihre Söhne sehen klingt in der Tat sehr interessant. Das werde ich mir vormerken.
[ link ]
Vom Verlag wurde seinerzeit auch Amendts Studie Wie Männer ihre Mütter sehen angekündigt, doch dann wurde der Erscheinungstermin immer wieder verschoben. Ich weiß gar nicht, ob es je veröffentlicht wurde. Das bei DRadio ebenfalls verlinkte Buch von Benard und Schlaffer Mütter machen Männer ist auch sehr lesenswert (und durchaus humorvoll).
[ link ]
Über die rechtliche Situation unverheirateter Väter machen sich auch Patchwork-Romantiker oft zu wenig Gedanken. (Das gilt übrigens auch für unverheiratete Partner, wenn man an Dinge wie Besuchsrecht im Krankenhaus (Intensivstation) und Therapiemitsprache denkt.) Ganz doof ist die Situation mit "Beutekind": Man trägt Verantwortung, entscheiden darf man aber nichts.
[ link ]
Danke, Sie erinnern mich da an etwas.
[ link ]
Und manche Väter haben es einfach schon vor der Trennung nicht geschafft, eine Bindung zu ihren Kindern aufzubauen. Zum Beispiel weil sie durch ständige Abwesenheit glänzten. Da kann man dann als Sonntagspapi auch nicht viel erwarten.
[ link ]
Genau. Sollen sie doch auch mal angekrochen kommen.
[ link ]
Ähm, nein, das enstpricht nicht meiner Auffassung. Sie haben mich wohl missverstanden. Mit "nicht viel erwarten können" meinte ich, dass es doch kein Wunder ist, dass Kinder, die schon vor der Trennung der Eltern keine besonders starke Bindung zu ihrem Vater hatten, sich bei räumlicher Distanz schnell von ihrem Vater entfremden. Und zwar ohne manipulierenden Einfluss von Seiten der Mutter.
[ link ]
Ich kann das nur schwer glauben. Erstens, dass es viele Eltern-Kind-Bindungen gibt, die vor einer Trennung bereits so dünn sind, dass sie die Trennung von sich aus kaum überstehen. Zweitens, dass es, falls es so sein sollte, ganz ohne irgendeinen Einfluss oder Beteiligung des anderen Elternteils dahin gekommen sein sollte. Und drittens, dass auch nach einer Trennung der andere, verbleibende Elternteil ganz ohne Einfluss auf das weitere Geschehen wäre.

Das muss man nicht Manipulation nennen, zumindest muss es nicht einmal bewusst gesteuert sein. Aber glauben Sie, dass eine Familie, in der ein Elternteil fast ohne Bindung zum Kind bleibt, ohne ein dauerhaftes, unausgesprochenes Arrangement beider Elternteile in dieser Form existieren könnte? Ich habe einige Frauen kennengelernt, deren Selbstverständnis darauf aufbaut, dass letztlich nur sie für die Kinder sorgen könnten: äußerlich, aber vor allem auch emotional. Wieviel Raum wird eine solche Frau dem Vater in der Partnerschaft geben, eine ähnliche Bedeutung aufzubauen? Wie wird sie reagieren, wenn sie merkt, dass sich ihr Kind wunderbar mit dem Ex-Partner versteht oder Sehnsucht nach ihm hat? Oder wie reagiert sie, wenn sie mitbekommt, dass es mal Ärger mit ihm hat? Glauben Sie, da wäre kein Einfluss, den Kindern spüren würden?

Verstehen Sie mich nicht falsch, mir geht es nicht um Schuldzuweisung; das Thema ist ohnehin mit Schuldzuweisungen übersät, was ja nichts löst und niemandem weiterhilft (deswegen auch meine überspitzte Verstärkung des "selbst-schuld"-Untertons, den ich in Ihrem vorherigen Kommentar meinte, herauszuhören). Ich glaube nur nicht, dass es viele Aspekte in einer Eltern-Kind-Beziehung gibt, die sich isoliert vom anderen Elternteil betrachten ließen.
[ link ]
Ich kann das nur schwer glauben. Erstens, dass es viele Eltern-Kind-Bindungen gibt, die vor einer Trennung bereits so dünn sind, dass sie die Trennung von sich aus kaum überstehen.

Würde ich anders einschätzen. Gerade bei Kleinkindern. Siehe unten.

Ich habe einige Frauen kennengelernt, deren Selbstverständnis darauf aufbaut, dass letztlich nur sie für die Kinder sorgen könnten: äußerlich, aber vor allem auch emotional.

Sie meinen also, Väter, die bis zur Trennung keine wirkliche Bindung zu ihrem Kind aufbauen konnten, hätten sich alle das Gegenteil gewünscht, wären sie nicht am Widerstand ihrer Frau gescheitert? Klingt für mich erst einmal sehr konstruiert, muss ich sagen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die Mehrzahl der Mütter kein Interesse daran haben soll, dass ihr Partner ebenfalls eine gute Beziehung zu den Kindern aufbaut. (Zumindest solange man noch eine Familie ist.)

Es gibt ganz klar Männer und auch Frauen, denen es schwerer fällt als anderen eine Beziehung zu ihrem Kind aufzubauen, vor allem dann, wenn es noch klein ist und man "nichts mit ihnen machen" kann. Aussagen dieser Art habe ich jedenfalls schon öfters zu hören bekommen. Gerade bei sehr jungen Eltern. Und wenn man dann eh berufsbedingt selten zuhause ist, wird's natürlich noch schwieriger, einen Zugang zum Kind zu finden.

Ich glaube nur nicht, dass es viele Aspekte in einer Eltern-Kind-Beziehung gibt, die sich isoliert vom anderen Elternteil betrachten ließen.

Dieser Gedanke ist durchaus interessant. Nur fände ich es fatal, daraus den Schluss zu ziehen, dass eine gescheiterte Vater- oder Mutter-Kind-Beziehung grundsätzlich an der Gluckenhaftigkeit oder am Konkurrenzdenken des anderen Elterneteils liegen muss. Es gibt einfach Menschen, die sich entweder nicht die Bohne für ihre Kinder interessieren, oder die selbst noch zu sehr Kind sind, um ihrem Kind eine verlässliche Bezugsperson zu sein - völlig unabhängig davon, wie sich der (Ex-)Partner verhält.

(Kleiner Verweis auf die verschiedenen Bindungstypen nach Bowlby. Spannendes Thema.)
[ link ]
Würde ich anders einschätzen. Gerade bei Kleinkindern. Siehe unten.

Ein Kleinkind, das mit beiden Eltern aufwächst, beide im Alltag erlebt, wird genauso eine - wenn vielleicht auch nicht bewusste oder artikulierbare - Bindung zu beiden aufbauen und den fehlenden Elternteil vermissen.

Sie meinen also, Väter, die bis zur Trennung keine wirkliche Bindung zu ihrem Kind aufbauen konnten, hätten sich alle das Gegenteil gewünscht, wären sie nicht am Widerstand ihrer Frau gescheitert?

Das Wörtchen "alle" in Ihrer rhetorischen Frage verleidet mir fast die Lust zu antworten. Wollen Sie mich falsch verstehen? Wie ich schon schrieb, ich unterstelle in den allermeisten Fällen ein stillschweigendes Arrangement. Ich persönlich kenne aber sehr wohl Fälle, in denen Väter irgendwann selbst glauben, sie könnten mit kleinen Kindern nicht umgehen, unter anderem auch, weil es ihnen täglich "demonstriert" wird. Dass bzw. wenn sie sich nicht dagegen wehren, ist wiederum ihr ganz eigener Anteil am Arrangement.

Nur fände ich es fatal, daraus den Schluss zu ziehen, dass eine gescheiterte Vater- oder Mutter-Kind-Beziehung grundsätzlich an der Gluckenhaftigkeit oder am Konkurrenzdenken des anderen Elterneteils liegen muss.

Schon wieder Verallgemeinerung. Wo habe ich das behauptet, grundsätzlich? Mir geht es darum, das gegenteilige Grundsätzlich zu demontieren, nämlich dass der andere Elternteil grundsätzlich nichts damit zu tun hätte. Er hat es nämlich im Regelfall, egal ob aktiv oder passiv.
[ link ]
Mein Kommentar bezog sich nicht ausschließlich auf Sie oder Ihren vorangegangenen Text. Ich kenne Sie überhaupt nicht. Wenn Sie sich angesprochen fühlen, tut es mir leid. Ich habe lediglich - auf Grundlage meiner persönlichen Erfahrungen - versucht, die andere Seite darzustellen. Ich habe geschrieben, es sei fatal so zu denken. Ich habe zu keinem Zeitpunkt gesagt oder gedacht, dass Sie so denken.

Schade. Ich lass es bleiben.
[ link ]
Ähm, wenn Sie einen Satz mit "Sie meinen also, " einleiten, wie soll ich ihn denn verstehen, wenn nicht als Wiedergabe dessen, was Sie denken, dass ich denke?

Was das Fatale angeht, da wären wir ja dann einer Meinung.
[ link ]
Stimmt. Diese Frage bezog sich natürlich auf Ihre Aussage.
[ link ]
(Ich finde das gut, dass Sie hier Ihren Standpunkt erzählen. Bitte lassen Sie sich davon auch weiterhin nicht abbringen. Ich hatte mich nur geärgert, in einem Sinne als pauschalisierend verstanden worden zu sein — z. T. nur vermeintlich, Verzeihung —, wo ich wirklich zurückhaltend formuliert habe, extra betonend, wie sehr mir einseitige Schuldzuweisungen stinken.)
[ link ]
Die Rechtsprechung bewegt sich weiter in Richtung Gleichbehandlung von unehelichen und ehelichen Kindern. Erfreulich.
[ link ]
Danke für diesen buchtip. Obwohl das bei mir ja rundum prima läuft. Aber ich werde mir das trotzdem mal zulegen.
[ link ]