Ein perfides Stück Ingenieurskunst nennt es mein Bekannter, der diese Falle einst auf einem Flohmarkt entdeckt hat. Das kann man wohl sagen. Sie funktioniert so:

1. Maus betritt die Falle, um an das bei
2. versteckte Futter zu gelangen, latscht dabei auf ein Brettchen, womit sich
3. die Tür hinter ihr schließt.
4. Maus wird irgendwann den einzig möglichen Weg entlang klettern, durch ein Rohr mit Widerhaken, durch das sie nicht zurück kommt, um dann
5. auf das obere Brettchen zu latschen, wodurch sie
6. runter rutscht, nebenbei
7. die Tür für ihre Nachfolgerin öffnet und
8. in einer Dose mit Wasser landet.
Ich bin ja ein wenig gehemmt, wenn es darum geht, Fremden mit der Kamera auf die Pelle zu rücken. Die Deckung als außenstehender Beobachter zu verlassen und mich selbst — anstatt mittelbar mit dem Teleobjektiv aus der Entfernung — in die direkte Nähe der Menschen zu begeben, fällt mir schwer, wenn es nicht gerade Verwandte oder Freunde sind. Schon zum Reflex geworden ist meine Reaktion, wenn ich beim Blick durch den Sucher bemerke, dass mich jemand anstarrt: Ich ziehe die Kamera weg und blicke dabei an ihm vorbei, als hätte ich ihn gar nicht fotografiert.

Gut, auch mit Teleobjektiv sind gute Bilder möglich. Doch wenn es um Action geht, darum, Menschen in der Bewegung des Augenblicks einzufangen, dann trifft schon Robert Capas Ausspruch, wonach du, wenn deine Bilder nicht gut genug sind, wohl nicht nah genug dran warst. Wenn viele Menschen sich gleichzeitig bewegen, entstehen vor dem Auge in Sekundenbruchteilen kräftige Bilder und verfallen ebenso schnell wieder in belanglosen, optischen Wirrwarr. Das von ruhiger Warte aus zu beobachten und im rechten Moment festzuhalten ist schon schwer. Begibt man sich nun ins Geschehen hinein, wird man selbst auch noch zum bewegten Punkt im Koordinatensystem, der gleichzeitig seinen Blickwinkel in allen Richtungen verändern und dabei womöglich auch noch selbst rück- oder seitwärts laufen muss.

So wie bei der Demonstration am Samstag in Nürnberg. Ich hatte nur am Tag zuvor im Polizeibericht die Ankündigung von Verkehrsproblemen gelesen, wusste also nicht einmal, was mich erwartet, außer dass »mehrere Tausend« Teilnehmer zu einer Demo in der Nürnberger Altstadt zusammenkommen würden. Eine gute Möglichkeit zum Üben, also den Fotorucksack geschnappt und hin. So stand ich, lief ich über drei Stunden lang mit (es stellte sich als Demonstration von Türken gegen kurdischen Terror heraus), war einerseits fast erschlagen von der Größe der Veranstaltung (7000 sagte die Polizei, ich hätte mehr geschätzt), andererseits positiv überrascht von der gutgelaunten Atmosphäre. Das sollte man nicht falsch verstehen; hier war viel Nationalismus zu spüren, und die vielen Sprechchöre auf türkisch, in denen das Wort PKK vorkam, waren sicher keine Segenswünsche. Aber der Aufmarsch war letztlich ein großes, fröhliches Familientreffen inklusive Oma und Kleinkind, und so hatte ich selbst zumindest keine Rempeleien zu befürchten; viele waren offen und schienen sich sogar zu freuen, dass ich sie ablichtete.

Die Zeit verging wie im Flug; eine Reihe Aspekte, die ich zeigen wollte (kleine Kinder, Bereitschaftspolizei, Fahnenmeer, fäusteschüttelndes Skandieren) konnte ich festhalten; mir gelang es sogar, die Abschlusskundgebung von oben zu fotografieren, mal eben vom oberen Stockwerk eines Drogeriemarkts aus durchs Fenster. Und dafür, dass es das erste Mal war, habe ich mein Ziel erreicht, sowohl ein paar brauchbare Einzelaufnahmen als auch eine ganze Serie als fotografische Dokumentation mitzubringen. Zumindest können sie neben der Bildfolge der Nürnberger Zeitung durchaus bestehen, finde ich.

Aber Himmel, gibt es noch viel zu lernen! Mich aktiver in die Menge zu werfen und bewusst auf Menschen zuzugehen, anstatt immer noch lieber den Unbeteiligten mimen zu wollen. Das sekundenbruchteilige Chaos vor der Linse besser in den Griff bekommen, hin auf Gesichtsausdrücke, Gesten, abgeschnittene Körperteile, Hintergrund etc., dazu die Aufnahmeparameter der Kamera immer im Auge behaltend (eine Konzentrationsaufgabe, die mir im gesamten Ausmaß derzeit schier übermenschlich scheint und meinen Respekt vor den Helden von Magnum ins Unermessliche wachsen lässt). Aber auch, dass ich für letztlich 30 gute Aufnahmen 360 mal auf den Auslöser drücken musste und die drei Stunden mit einer solchen Nervosität verbrachte, dass die Anspannung noch am Sonntagnachmittag in meinem Kopf war, daran werde ich wohl noch arbeiten müssen.

[Ich zeige hier nur ein paar Bilder; die Serie gehört erst einmal nicht hierher, sondern in meinen Fotokurs, wo sie mein Dozent sicher nochmal gut auseinandernehmen wird...]