Wenn auch Sie gerade nach schlechtem Schlaf nicht recht wach werden wollen und Ihr Zustand mit missmutig nur unzureichend beschrieben ist, könnte Ihnen die Musik aus diesem Video helfen. Macht Laune. (Auch hier als Audiostream, Consolation Prizes anklicken.)
Als Mequito vor ein paar Tagen so flammend für das Vorlesen von Bloggeschichten im Allgemeinen und blogread.de im Speziellen warb, erinnerte ich mich, dass ich schon lange mal einen wunderbaren Text von Hrn. undundund aufnehmen wollte. Gesagt: Getan.
In mir hat sich etwas verändert. Ich weiß nicht, wie es passiert ist und ob es so bleiben wird, aber wenn ich daran denke, daß ich wahrscheinlich partnerlos bleiben werde, dann macht mir das keine Angst mehr. Es macht mir auch keine Angst, mich im Badeanzug zu zeigen oder nackt im Meer zu baden.
Lesen Sie Frau Fragmente.
Sänger Sasha hat mit schockierender Offenheit enthüllt, warum er wirklich Erfolg hat: Es liegt an seiner schweren Kindheit.

Eine herzzerreißende Geschichte hat Popstar Sasha («Goodbye») zum Besten gegeben: Wie der Sänger nun verriet, ist er angeblich nur zur Musik gekommen, weil er als Kind mit seinem Gesang seine Mutter tröstete. Die habe sich nämlich bei der Hausarbeit häufig Sorgen gemacht, wie sie mit ihrer Sozialhilfe die Kinder durchbringen sollte und deshalb oft geweint, sagte der 34-Jährige der «Neuen Osnabrücker Zeitung». Dann habe er «manchmal versucht, sie aufzuheitern» und begonnen zu singen. Dabei habe er sein Talent für die Bühne entdeckt.
[Netzeitung]
Über manche mögliche Spätfolgen von Hartz IV macht man sich m. E. noch viel zu wenig Gedanken.
il quarto bruciava d'odio
per la vergogna di restare fuori dal podio
il terzo merita rispetto ed io lo stimo
ma salutatemi il secondo
perché conta solo il primo
conta solo il primo

Der Vierte brannte vor Hass
Wegen der Schande, es nicht aufs Podium geschafft zu haben
Der Dritte verdient Respekt und ich schätze ihn
Doch grüßt mir den Zweiten
Denn es zählt nur der Erste
Es zählt nur der Erste


[Daniele Silvestri, »La Classifica«]
Überragend schön habt ihr ja mal wieder nicht gerade gespielt. Was soll's: Glückwunsch, Azzurri! Und wer sich nur mit Zidane-Elfmetern durch Halbfinale und Finale wursteln will, hat's nicht anders verdient.
Mann, was für ein tragischer Idiot. Hin- und hergerissen zwischen Abscheu für den primitiven Gewaltausbruch einerseits (ich meine, der Mann hat hunderte von Spielen als Profi gespielt und ist keine 12 mehr) und Faszination andererseits, wie unter der hochglanzpolierten, professionellen Darstellung im bezahlten Weltspitzenfußball unvermittelt Risse hervortreten, einfach weil da Menschen agieren. Man könnte meinen, da habe jemand noch mal absichtlich gegen seine Glorifizierung rebelliert. »Hol den Vorschlaghammer...«
»Da knallten die Synapsen in die falsche Richtung«, rief Beckmann genau in dem Moment, als ich den - eben wegen Beckmann schon lange abgedrehten - Ton anlässlich der Aufregung um Zidanes Kopfstoß wieder andrehte. Für die nächste WM wünsche ich mir Mehrkanalton mit der Option "Stadium only".
Was diese Fußballspiele im Vergleich zu früher faszinierender gemacht hat, sind Kameras und Bildregie. So viele Winkel, so viele Nahaufnahmen, auf denen man den jede Drehung und Bewegung der Spieler verfolgen und jeden Fluch von den Lippen ablesen konnte. Ein Unmittelbarkeitsgefühl, mitten auf dem Platz zwischen den Spielern zu stehen. Und dann diese Hintertorkamera am beweglichen Galgen, die die Dynamik von Torszenen in einer Überhöhung zeigt, wie ich sie bislang nur aus der Werbung kannte. Stark.
Jetzt ist aber auch mal wieder gut. Mein nächstes Fußballspiel werde ich dann erst wieder in zwei Jahren ansehen, vielleicht abgesehen von Vereinsspielen meiner Söhne.
»Da hatte er die richtige Nase am richtigen Ort.«
(über Vieira, den Torschützen des 2:1)

»Wenn du die Nase so hoch trägst, dann kann sie auch tief fallen.«
(über den spanischen Trainer)

[Armin Lehmann & Henry Vogt, ARD-Radioreportage des Spiels Spanien-Frankreich]
Ich weiß nicht, wie ich diese Musik einsortieren soll. Multi-ethnisch? Weltmusik? Keine Ahnung, aber auch egal. Man hört typische Volksmusikinstrumente wie Mandolinen, Akkordeons, Tambourine und Violinen zu ungeschliffenen, balkanisch-romanesken Bläserklängen. Über allem der elegische Gesang des Mannes hinter Beirut, dem 19jährigen Multiinstrumentalisten Zach Condon aus New York bzw. Albuquerque, dem man irgendwie weder sein Alter noch seine Herkunft glauben möchte. Das Coverfoto wurde laut dem (ohne Lyrics leider sehr kurz gehaltenen) Booklet lose in einer Leipziger Bibliothek gefunden, wohl herausgerissen aus irgendeinem Buch. Bei soviel Ungewöhnlichem wundern dann auch Songtitel wie »Prenzlauerberg« und »Brandenburg« nicht mehr.

Ein Album wie ein staubiger Sommertag irgendwo in Südosteuropa. Hören Sie mal rein.

Postcards from Italy (mp3 / 5,0 MB)
Mount Wroclai (Idle Days) (mp3 / 3,8 MB )
Es ist ja oft so: Man lernt eine gute Geschichte oder Musik[*] in einer bestimmten Interpretation kennen und damit setzt diese Interpretation den Standard. Alle späteren (oder auch nur später kennengelernten) Versionen werden es schwer haben, dagegen zu bestehen. Die Sinfonie setzt ein, man schlägt die Augen auf, ruft: »Mama!«, und später wird keine andere Aufnahme je so klingen wie Mama - auch wenn wir auf der Party unserem Bekannten weismachen wollen, sie sei nur deswegen die beste, weil sie erstens und zweitens, und überhaupt so tun, als hätten wir uns bewusst für sie entschieden.

Jedenfalls.[**] Unter allen Pinocchio-Adaptionen ist meine Mama die italienische Verfilmung aus dem Jahr 1971. Ich weiß nicht mehr genau, wann und wo ich sie gesehen hatte, vermutlich war es wohl im Alter von sechs Jahren und in der ARD, wie man jetzt nachlesen kann. Auch hatte ich damals wohl mindestens eine Folge versäumt, soviel wusste ich noch. Woran ich mich aber vor allem erinnern kann, ist die Traurigkeit, die dieser Film mit seiner Titelmelodie (die ich seitdem nie vergessen hatte) und der alles andere als niedlichen Umsetzung in mir auslöste; eine große, schöne Traurigkeit angesichts der rauen Wirklichkeit eines italienischen Bergdorfs im Winter, des herzensguten Schreiners Gepetto, der so bettelarm ist, dass er sein Essen aus harten Brotresten mit Regenwasser zubereiten muss und sich zwischendurch im Stall eines Nachbarn am Esel wärmt, dann die vielen egoistischen und hinterhältigen Menschen rundherum und mittendrin der naiv-freche Lausejunge Pinocchio, durch Feenzauber zum Leben erweckt aus einer Holzpuppe, die sich Gepetto als Ersatz für einen Sohn geschnitzt hatte.

Wo doch in der ARD seit jeher Filme und Serien immer wiederholt und durch die Dritten Programme gereicht werden: diese hier merkwürdigerweise kaum, zumindest bekam ich sie nie wieder zu Gesicht oder erfuhr davon, dass sie noch einmal ausgestrahlt wurde. Stattdessen gab es nur die Zeichentrickserie, die sich überall als der Pinocchio durchsetzte, und mich nicht zuletzt aufgrund der Ähnlichkeit zu Heidi, Marco und den vielen anderen Serien mit ihren merkwürdig mimiklosen und großäugigen (wie ich später erfahren sollte: japanischen) Figuren eher abstieß. Zumal mit einem Mal eine Niedlichkeit zelebriert wurde, die dem alten Film abging. Schon dieser dämliche Titelsong: »Kleines Püppchen, freches Bübchen...«

Nee, diese Mama mochte ich nicht. Bislang war der Realfilm, in dem übrigens Schauspieler wie Nino Manfredi, Vittorio de Sica, Mario Adorf und Gina Lollobrigida mitspielen, außer in Form privat mitgeschnittener Videos auf Ebay wohl nicht zu haben. Das hat sich mittlerweile geändert; so gibt es zumindest eine konzentrierte Spielfilmfassung, die neben dem Originalton auch mit englischer Synchronisation aufwarten kann. Doch auch die komplette Serie, im Original fünf mal eine Stunde, habe ich endlich entdeckt, wenn auch leider ausschließlich auf Italienisch. Ein wenig Gegugel sowie eine halbe Stunde Webformularausfüllen später war die Doppel-DVD bestellt. Unter anderem musste dazu erst geklärt werden, was »Anagrafica / Ragione Sociale« sein soll (»Anrede«), wie man einen deutschen Ort in ein Webformular für italienische Orte bringt (»Äh, was schreib ich denn jetzt noch bei Località?«) und zudem bin ich jetzt stolzer Besitzer einer italienischen Steuernummer, die das Formular dringend von mir einfordern wollte und die letztlich eine andere Webseite freundlicherweise für mich erzeugt hat. Fragen Sie nicht, ich habe keine Ahnung.

Entgegen der Erwartung, gerade 21 Euro (inklusive Versand) im adriatischen Meer versenkt zu haben, kam die DVD keine 7 Tage später wohlerhalten an. Ausstattung, Beschreibung und Extras sind praktisch nichtexistent, aber die Hauptsache ist drauf. Und tatsächlich so ergreifend wie in meiner und der Möwe Erinnerung. Allein schon die stille, unaufgeregte Erzählweise ist eine Wohltat (bei aktuellen Kinderfilmen muss man ja schon froh sein, wenn nicht mittendrin ein Knirps anfängt zu räppen). Ton und Schauspieler sind für Italienischkundige auch ohne Untertitel gut verständlich. Die erste Folge haben wir jetzt angesehen, die weiteren sind an den nächsten Wochenenden dran. Einfach schön.

[*] funktioniert auch mit Betriebssystemen oder Automarken
[**] Formulierung beim Herrn undundund geklaut
Le avventure di Pinocchio,
ed. integrale (303 min, 2 DVD)
Ich gehe auf die Menschen zu, die mir ähnlich sind,
und der Spiegel, den ihnen meine Bilder vorhalten,
ist derselbe, in dem auch ich mich anschaue
(Willy Ronis)

Willy Ronis: L'homme seul, Noël
Merkwürdig, wenn nach Jahren, die ich mich schon für Fotografen der Agentur Magnum interessiere (allen voran Cartier-Bresson, aber auch Capa, Erwitt, Burri und andere), plötzlich ein weiterer Fotograf aus ihrem Umfeld auftaucht, dessen Namen ich zuvor noch nie gehört hatte: Willy Ronis. Er war unter anderem mit Robert Doisneau, Robert Capa und David Seymour Chim befreundet und lebte und fotografierte hauptsächlich in Paris und Frankreich. Selbst in einfachen Vierteln aufgewachsen, interessierten ihn in erster Linie einfache Menschen, Alltagssituationen, das Leben der Arbeiter: »Mich hat nie das besonders Ungewöhnliche, das nie zuvor Gesehene, das Außerordentliche gereizt, sondern stets das typischste Vorkommnis in unserem alltäglichen Leben.«

Jetzt hat mir meine Schwester den Band Willy Ronis - Gestohlene Augenblicke geschenkt, der auf 192 Seiten in vielen Bildern einen Querschnitt seines Schaffens von 1926 bis 2001 versammelt (er hat erst vor fünf Jahren, im Alter von 91, aus gesundheitlichen Gründen mit der Fotografie aufgehört). Ich kannte ihn wie gesagt nicht und bin vom ersten Durchblättern an begeistert. Seine Fotografien sind nicht nur oft berührend, dazu ästhetisch und handwerklich perfekt, sie haben auch nahezu immer eine Ebene, die über die reine Abbildung hinaus geht und weitere Assoziationen knüpft, so wie auf dem Foto, das aus einem Schulfenster heraus eine Reihe von Kindern draußen zeigt, die von einer Reihe kleiner Blumentöpfe und Pflänzchen auf der Fensterbank kommentiert werden. Oder die Besucher des Louvre, die - vor einem Gemälde einer Massenszene anlässlich einer Krönung stehend - selbst eine solche bilden und das Gemälde zu vervollständigen scheinen.

Ein erschwinglicher Band mit vielen großartigen Fotografien, die ohne Effekt und Knall daherkommen und in deren Betrachtung man sich versenken kann.
Was ich auch noch nie ertragen habe: diese Geschichts-Dokumentationen mit nachgestellten Szenen, wie sie seit einigen Jahren in die Fernsehkanäle gepumpt werden. Moderne Stummfilme mit umgedrehter Motivation: Eigentlich hat man hauptsächlich Text und nur wenige bewegte Bilder zur Verfügung, aber weil der Bildschirm nicht schwarz bleiben kann und man dem Publikum nicht zutraut, einem sprechenden Menschen mehr als zehn Sekunden zusehen zu wollen, müssen nun historisch korrekt gekleidete Darsteller stumm, doch innerlich bewegt zu Texten aus dem Off durch Studiokulissen stapfen oder ergriffen ins Nichts schauen. Dazu nölt im Hintergrund ein Synthesizer mit billigem Streicher-Sound vor, welche Emotion der Zuschauer gerade empfinden soll. Klebrig und anmaßend.

Gute Dokumentationen beschränken ihre Bilder - neben Interviews von Zeitzeugen oder Experten - auf authentisches Material, vielleicht unterstützt von Karten oder Simulationen, um komplizierte Vorgänge zu veranschaulichen. Sie lassen dem Zuschauer Raum, sich ein eigenes Bild zu machen, auch von den handelnden Personen und ihrer Motivation. Dazu braucht es keine pseudo-authentischen und letztlich informationsfreien Stummfilmszenen, keine mit Sülzmusik unterlegten, merkwürdig beleuchteten Großaufnahmen von Darstellern mit aufgerissenen Augen. Dazu reicht der unterlegte Text.

Wenn man schon anfängt, Bilder zu erfinden, dann auch richtig: in Form kompletter Dialogszenen (in Erinnerung blieb mir hier z. B. die herausragende Doku Deutschlandspiel über die letzten Tage der DDR) und nicht nur als Untermalung zu einem - vielleicht noch nicht einmal schlechten - Radiotext. Sonst muss ich spätestens nach fünf Minuten entnervt abschalten, so wie gestern bei dem Portrait von Gerd Bucerius, das mich eigentlich wirklich interessiert hätte.