Als das Konzert um neun Uhr beginnt, ist der Raum vor der Clubbühne im Erlanger E-Werk nur mäßig mit vielleicht 200 Leuten gefüllt. Zuerst ärgere ich mich, keine Kamera mitgenommen zu haben, ich hätte aus nur einem Meter Entfernung in Augenhöhe fotografieren können. Aber dann entschließe ich mich, stattdessen einfach mal nur zuzuhören. The Most Serene Republic sind tatsächlich so überdreht, unverschämt jung und enthusiastisch, wirken dabei gleichzeitig so knuffig-schülerbandhaft, dass man nur staunen kann, wie gut das alles ist, was dabei rumkommt. Die Albumversionen der Songs scheinen nur Grundgerüst zu sein und werden mit anderer Instrumentierung und neuen Elementen umgestaltet. Sänger Adrian Jewett zuckt und zappelt sich dabei mit irrem Blick über die für sieben Musiker reichlich beengte Bühne zwischen Keyboarder, Schlagzeuger, Bassisten und drei (!) Gitarristen, pumpt zwischendurch auf seiner Posaune oder greift dem Keyboarder unter die Arme, derweil die anderen, weniger Durchgeknallten, sich redlich abrackern und alle zusammen immer wieder altgewohnte Songstrukturen unterwandern, dabei auch eine zierliche, barfüßige Emma Ditchburn mit Gitarre, von deren Stimme man gerne mehr gehört hätte. Überhaupt hören: Das war ein dicker Minuspunkt am Auftritt der Most Serene Republic; sie waren so schmerzhaft laut abgemischt, dass statt ihrer wirklich hörenswerten Musik zeitweise nurmehr kreischender Klangbrei wahrzunehmen war. Ansonsten sehr hoffnungsvoll und spaßig, was sie in ihrer Stunde Auftritt zu bieten hatten.

Nach einer für meinen Geschmack zu langen Pause die eigentlichen Stars des Abends. Den Teil des Konzerts habe ich dann nur noch genossen, mich von den Songs und den wunderbar harmonischen Stimmen von Torquil Campbell und Amy Millan treiben lassen. Ausgereift, insgesamt etwas rockiger als auf dem aktuellen Album, pathetisch (wobei Campbell seine schauspielerischen Fähigkeiten ausspielt), schwelgerisch, mit Herzblut. »For you it may mean a good evening. For us it's everything«, so ähnlich drückt der energische Campbell zwischendurch das Verhältnis seiner Band zu ihrer Musik aus, und das kauft man ihm ab. Sängerin und Gitarristin Amy Millan, die anfangs unbeteiligt und bekifft wirkt (aber dann doch bei jedem ihrer Einsätze punktgenau präsent ist und während des Konzerts sichtlich auflebt), bringt das zerbrechliche Element ein. Mit geschlossenen Augen und ihrer unerwartet zarten Stimme, die Hände leicht schützend vor dem Gesicht, in sich gekehrt, völlig ungeachtet von Campbell, der sie manchmal zur gleichen Zeit inbrünstig ansingt. Sekundenverliebtheit, als Amy mir irgendwann noch eine Strophe lang beim Singen in die Augen sieht. Seufz.

"I'm alive!" singt Campbell am Ende des schönen Calendar Girl mehrfach, am Bühnenrand stehend wie eine Gallionsfigur im Fahrtwind. Und so habe ich mich auch gefühlt. Wundervolle Musik.
Stars und
The Most Serene Republic
beide auf Arts & Crafts.
Alben dort komplett zu hören
Gebrochene Individuen an den Rändern der zivilen Mechanik. Adoleszenz im urban jungle. Kopfbedeckung als individualisierende Chiffre, die sogleich dekonstruiert wird.
Eine kluge Kritik von Herrn Dings über einen aufwühlenden Film.
Death is the mother of beauty; hence from her
Alone, shall come fulfillment to our dreams

-- Wallace Stevens

Atemberaubend schön. Organisch verlaufene Farben, verästelte Ströme, manche blutrot wie Adern zwischen großen, braunen Flächen, die wie mit einem Messer in feinen, weißen Linien angekratzt scheinen, dann wieder von Menschenhand geschaffene Strukturen: schnurgerade Wege und klar abgegrenzte Rechtecke, in parallelen Wellenmustern zerfurcht, alles ohne klar erkennbaren Maßstab oder räumliche Tiefe: Eine verwirrende Mischung aus Abstraktion und erkennbaren Details; Flächen, wie gemalt mit Farben, die in ihrer Kraft und Kombination nicht von dieser Welt scheinen.

Seite aus The Lake Project
Und doch sind es Fotografien. Der Fotograf David Maisel hat über lange Zeit hinweg einen toten, ausgetrockneten Salzsee in Kalifornien aus der Luft abgelichtet. Es heißt, der See beziehungsweise seine Überreste seien voller Ablagerungen verschiedenster Schwermetalle (die sich zudem bei Wind zu giftigen Wolken formen), teilweise von Bakterien fermentiert, und trotz dieser Erklärung bleiben die Farben unglaublich, unwirklich.

Gesehen hatte ich die Aufnahmen (mal wieder) zuerst im BLDGBLOG, dann in der Online-Galerie des Fotografen. Jetzt bekam ich den Bildband zum Lake Project geschenkt. Die in der Galerie aufgeführten etwa zwei Dutzend Fotos sind darin je im Format 30x30cm abgebildet, zusammen mit dem lesenswerten, philosophischen Begleittext des Fotografen, aus dem ich auch das Zitat oben entnommen habe. So wie ich das sehe, scheint es den Band in Europa derzeit nur antiquarisch zu geben, und er ist irre teuer. Doch während bei den Minimiams die Abbildungen der Fotos im Web den Zauber des Buchs getrübt haben, sind sie hier nur unzureichende Appetithäppchen für die wunderschönen Bilder, die erst im Großformat des Buchs ihre volle Anziehung entwickeln, jedes einzelne.

[Sehen Sie sich auf seiner Website auch die Projekte Oblivion und Terminal Mirage an. Ach ja: Wenn mir jemand irgendwie ein Exemplar des Katalogs zu Terminal Mirage besorgen kann, natürlich gegen Bezahlung, würde ich mich riesig freuen.]
David Maisel, The Lake Project
http://www.davidmaisel.com
Was hätte man nicht aus diesem Thema an Schaudereffekten herausholen können, wie einfach wäre es z. B. auch gewesen, Priester-Bashing zu betreiben. Hans-Christian Schmid hat all dem widerstanden und hält sich ganz an seine Protagonistin, er erzählt die Geschichte der 21jähren Michaela aus strenggläubigen Elternhaus, die ihre psychotischen Anfälle letztlich für dämonische Besessenheit hält, ohne vordergründig zu werten aus ihrer Perspektive. Oder zumindest stets an ihrer Seite, denn - das wird im Verlauf schmerzlich klar - auch als Zuschauer bleibt man letztlich außen vor, hilf- und verständnislos gegenüber dem Wahn, muss sich fragen, wie weit man einem Menschen auch gegen dessen Willen helfen würde, ob man davonlaufen oder aber mitmachen würde, was geschieht.

Dieser kleine, ruhig erzählte Film, der frei nach der wahren Geschichte einer 1976 im Verlauf einer Teufelsaustreibung gestorbenen jungen Frau gedreht wurde, hat mich mitgenommen. Allen voran Sandra Hüller als Michaela spielt so überzeugend und intensiv, dass man ihre Figur so leicht nicht mehr vergessen wird. Auch die anderen Darsteller wie Burghart Klaußner (wie immer großartig) als Vater, Imogen Kogge als Mutter und Anna Blomeier als Michaelas Freundin waren durchweg beeindruckend. Lediglich Michaelas Freund (Nicholas Reinke) und der junge Priester (Jens Harzer) blieben blass und in ihrem Verhalten unerklärt.

Alles in allem sehr sehenswert.
Zu Hause im Wohnzimmer übte ich mehrere Abende lang, mich der Stehlampe unerbittlich bis zum Crash zu nähern. «Endlich», sagte Marcus nach der Generalprobe und hielt sich ein Taschentuch unter die blutende Nase. «Du kannst es! Jetzt geh auf die Straße und beweise es! Halte drauf, die anderen werden ausweichen!» [Q, via]
Leser, die Axel Hacke mögen, werden auch an Mark Spörrles Geschichten ihre Freude haben.

(Und ich könnte die »Zeit« mal wieder lesen, anstatt sie derzeit nur dekorativ zu stapeln.)
Die Firma Adtranz (heute Bombardier Transportation) entwickelte im Jahr 1998 einen neuen zweiteiligen Triebwagen mit Neigetechnik, der die Bezeichnung Regio-Swinger erhielt. Mit diesem Namen zielte man auf den späteren Einsatzbereich ab, den beschleunigten Nah- und Regionalverkehr auf kurvenreichen Strecken.
[Q. Siehe auch hier]
Schafe, die auf Blumenkohl weiden, Männer in Schutzanzügen auf einer Crème Brulée, eine Familie im Eischnee - großartige Miniaturaufnahmen, von einer Konditorin (?) und einem Fotografen mit Witz inszeniert. Nachdem ich das im (auch sonst immer wieder tollen) BLDGBLOG und anderen verlinkten Seiten gesehen hatte, machte ich mich sofort auf die Suche nach Büchern. Alles, was ich fand, war eine französische Ausgabe: »Le jardin des Minimiams«, die ich mir jetzt über Amazon Frankreich bestellt habe.

die Minimiams
Nun, die Bilder sind immer noch herrlich anzuschauen. Das Büchlein aber ist mit seinen gerade mal 12 Szenen und 28 Fotos sehr dünn geraten für denjenigen, der schon so viele schöne Aufnahmen im Netz gesehen hat (die Hälfte der Szenen des Buchs kannte ich so schon vorher), die wenigen Halbsätze Text dazu sind jetzt nicht überwältigend und der Preis mit knapp 13 Euro entsprechend saftig. Segen und Fluch des Internets... Als Geschenkidee für Leute, die die Figuren noch nicht kennen oder wie ich lieber in einem echten Buch als im Browser blättern, aber sicher immer noch eine gute Idee.
A. Ida, P. Javelle, A. Serres
Le jardin des Minimiams
ISBN 9-782915-569421

[>klick<, Quicktime, 9 MB, von Aardman]
... könntet ihr euch bitte in Zukunft ein bisschen absprechen, hm? Lange Zeit dreht ihr nur Schrott, so dass man schon gar nicht mehr nachgucken mag, was überhaupt läuft. Und jetzt werft ihr dafür lauter gute Filme auf einmal in die Kinos. Wann soll ich mir die denn bitte noch alle angucken, bevor sie in die Zweitverwertung verschwinden? Wär jedenfalls ganz toll, wenn ihr das mit der Koordination mal angeht.

Euer blue sky.

Sommer vorm Balkon
Match Point
Brokeback Mountain
Die große Stille
Caché
Walk the Line
München
Urlaub vom Leben
Lord of War
Requiem
...look just like mountains in the snow.«
Kate Bush, Moments of Pleasure

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