Die Menschen waren früher höflicher. Familie, Leistungswille, christliche Werte. Jemanden am Boden liegenden hat man nicht auch noch getreten. Gegenseitiger Respekt. Weniger Gewalt. Sexuell anständig. Ordentlich. Aufrichtig waren die Leute. Haben nicht einfach weggesehen, wenn jemandem etwas angetan wurde.

Heute dagegen! Wie roh und schlimm alle geworden sind. Und weil die Menschen früher ganz anders waren - hilfsbereit, gewaltfrei, couragiert - , haben diese vielen anständigen, couragierten Menschen ja damals auch zugesehen, mitgeholfen, veranlasst, wie Millionen Menschen gedemütigt, deportiert, gequält, vergewaltigt, getötet wurden, haben die eigenen Nachbarn und Verwandten denunziert, sich an fremden Gütern bereichert oder vielleicht auch einfach nur weggesehen und ordentlich das Maul gehalten.
Immer bis zum Ende des Songs im Auto sitzen bleiben.
Stolz das Ernährungs-Quiz im Apothekenmagazin geknackt. ESST OBPF PPD GEMUESE - merkwürdiger Lösungssatz.
Suchanfrage: Pollen Witz. Wärden nicht finden hier, aber ist sich in Deutschland sowieso immer gläich.

Lebe jeden Tag, als wäre es dein erster.
Am Anfang von "From the Choirgirl Hotel" auf der Couch weggedöst. Den Rest des Albums im halbwachen Dämmerzustand erlebt, laut und intensiv, so wie Musik sonst erst nach einer Menge Alkohol ungefiltert in mich dringt. Festgestellt, dass das bislang verschmähteste meiner Tori-Amos-Alben tatsächlich eines der besten ist: düster, kantig, manchmal schmerzhaft; eine Welt, die erst abends im Dunkeln erwacht.
Ich mag es, abends die erleuchteten Fenster des Wohnblocks gegenüber zu betrachten: je nach Vorhang und Rollo weiß, grün, orange oder blau, manche fast schwarz bis auf einen dünnen, leuchtenden Rand, andere nur nacktes Glas. Wie mal hier ein Licht angeht, dort eines aus, bestimmte Zimmer immer erleuchtet oder andere immer geheimnisvoll dunkel. Wie jemand nach Hause kommt, erst das Treppenhaus hell wird, dann einige Zeit später die Zimmer einer Wohnung. In manchen wird vielleicht gerade gebügelt, in anderen Pizza gegessen, ein Buch gelesen, das Kind angeschrien oder mit der Schwester telefoniert. Hinter manchen Fenstern werden Familien zusammensitzen oder Pärchen, hinter anderen verbringen Menschen jeden Abend alleine. Und sind am Ende doch, ohne es zu ahnen, über Stockwerke und Hausnummern hinweg miteinander verbunden über den synchronen, bläulich pulsierenden Takt ihrer Fernsehprogramme.
Kennen Sie das aus Ihrem Betrieb?

Die Flure voll von umherziehenden Managerdarstellern mit ernst-geschäftigem Blick und der Last unsichtbarer Aktenordner auf den Schultern. Fragt man sie, wie es mit diesem oder jenem offenen Punkt stehe, ob sie hier oder da endlich eine Entscheidung getroffen hätten, antworten sie: »Mit dem Thema sind wir schon erfolgreich unterwegs«.
Das ist schön, es erinnert an Blumenkalender und Mutmach-Büchlein. Sind wir nicht alle irgendwie unterwegs? Nur wohin, wissen wir nicht, und ankommen werden wir auch nie, aber das macht nichts, denn bevor das Ziel überhaupt erkannt ist, werden sich schon ein Dutzend neue Themen zur Reisebegleitung angeboten haben.

Und dann, als Ausgleich zu diesem eher esoterischen unterwegs sein, muss es irgendwo in den Katakomben der Firma noch diesen geheimen Raum geben, gefliest bis an die Decke, mit Schränken und Tischen aus Edelstahl. Der Raum, zu dem nur das obere Management Zutritt hat. Aus dem noch nie ein Schrei nach draußen drang. Der Raum, in dem die Themen geschlachtet werden. Morgen, übermorgen, demnächst ganz sicher; ein Vorgang, von dem merkwürdigerweise nur im Futur gesprochen wird. Was andererseits einleuchtet: Ein einmal »geschlachtetes Thema« (und sei es nur die Frage, wer für die Aufwandsabschätzung eines Team-Umzugs zuständig sein wird) ist ja so gesehen kein Thema mehr, sondern nur noch ein unappetitlicher Haufen Knochen, Blut, Muskelgewebe, Fett und Innereien. Darüber zu schweigen gebietet die Rücksicht auf zartere Gemüter.

Ja, Management ist ein hartes Geschäft.
Tiefblauer Himmel, reinweiße Schäfchenwolken und Obstblüten, sonnengelbe Forsythien und Löwenzahn, leuchtend rote Tulpen, Flieder und Magnolien zwischen rosa und lila, all das gebettet in ein solches Grün von Bäumen und Wiesen, dass man meint, der Schöpfer hätte an seinem großen Schieberegler die Farbsättigung auf »max.« geschoben, vor ein paar Tagen erst, versehentlich vielleicht, abends vor dem Schlafengehen. Und ich streife draußen zu Rad oder Fuß umher, fülle nach Monaten in Pastell und Grau meine Tanks wieder auf, sauge mich voll und sehe mich doch nicht satt.
Ich bin ja eher der Katzentyp, liebe ihre Art, kann kaum an einer vorbeigehen, ohne sie dazu bringen zu wollen, um mich herumzustreichen und sich kraulen zu lassen. Bin mit Katze aufgewachsen, hatte selbst schon welche und gerne wieder eine, wenn die Wohnung es nur zuließe. Mit Menschen, die explizit nichts mit Katzen anfangen können, finde ich mich erfahrungsgemäß auch selbst selten auf einer Wellenlänge - irgendwie scheinen hinter der harmlosen Frage Katze oder Hund? doch grundlegendere Einstellungen zu liegen.

Border-Collie (Foto im Netz gefunden)
Aber wenn ich einmal, wie auch immer, auf den Hund kommen sollte und Umgebung wie artgerechte Betreuung kein Problem wären, wenn also überhaupt, dann müsste es so ein Border-Collie sein, wie ihn der Trainer meines Erste-Hilfe-Kurses heute dabei hatte. Tolles Tier.
Warum sind die Küchen aus unseren Wohnungen verschwunden? Warum haben Küchen spätestens seit den 70er Jahren kleine Schläuche zu sein, mit Platz für höchstens zwei Personen gleichzeitig, ohne Sitzgelegenheit, mit noch nicht einmal ausreichend Stauraum für das gesamte Geschirr? Was sind das für Architekten, die in einer großzügigen 4-Zimmer-Wohnung mit über 100 Quadratmetern eine Küche von gerade mal 7 (!) Quadratmetern vorsehen? Lieferpizza und Mikrowelle gibt es noch nicht so lange, dass man denken könnte, die hätten vielleicht die Zubereitung von Essen nur noch vom Hörensagen gekannt. Welche Einstellung zum gemeinsamen Essen (und seiner Vorbereitung) steckt also dahinter? Ich verstehe es nicht. Aber wie der selige Hanns-Dieter Hüsch sagte, der Niederrheiner weiß nix, kann aber alles erklären, bastle ich mir zumindest den Anfang zurecht. Später müsst ihr mir dann helfen, da fehlen mir nämlich die Argumente.

Also: Die Küche war früher nicht nur des Essens wegen der Hauptwohnraum; in Zeiten vor Einführung von Zentralheizung und Elektro- oder Gasherd stellte der zum Kochen benötigte Herd oft die einzige Heizung in der Wohnung dar, und es war ganz natürlich, dass die ehemals deutlich umfangreichere Hausarbeit und damit der größte Teil des Familienlebens in der Küche stattfanden. Da vieles auf Vorrat gebacken oder eingemacht wurde, war dazu auch Platz zum Arbeiten vonnöten - nicht zuletzt für die Kinder, die dabei mithelfen mussten. Ich glaube, auf die Idee, sein Essen in einem anderen Raum einzunehmen, wäre damals ganz bestimmt niemand gekommen. Die gute Stube war hingegen zur Repräsentation gedacht, musste immer schön und aufgeräumt bleiben und wurde nur bei Besuch oder am Sonntagnachmittag betreten; Kartoffeleintopf oder Brot hatten dort nichts zu suchen. Später im 20. Jahrhundert wurden mehr und mehr Wohnräume beheizt und das Familienleben verlagerte sich zumindest abends aus der Küche weg hin ins Wohnzimmer, wo jetzt das Radio und später ein Fernseher standen. In der Küche wurde immer noch gegessen oder Hausarbeiten erledigt (auch die Hausaufgaben der Kinder, die keinen eigenen Schreibtisch besaßen so wie heute); im Wohnzimmer wurde der Feierabend genossen. Vielleicht brachte Mutti abends auch noch einen Teller Schnittchen rüber.

Aber was passierte dann? Wieso wurde das Esszimmer irgendwann in den 60ern/70ern abgetrennt, um es schließlich dem Wohnzimmer zuzuschlagen - halbherzig oft nur, mit offenen Durchgängen oder irgendwelchen Durchreichen? Warum wurde die Küche so klein, dass höchstens noch Mami darin Platz fand (am Sonntag Papi mit seinem Rinderbraten), die bei weiteren Personen auf diesem engen Raum vermutlich zu recht wahnsinnig wurden und alle rausscheuchten?

Dabei kenne ich bislang doch niemanden, der als Kind nicht gerne bei Eltern oder Großeltern in der Küche auf der Bank saß und beim Kochen zuschaute oder mithalf. Gibt es etwas Schöneres und Gemeinschaft Stiftenderes, als zusammen in der Küche zu sein, einer am Tisch Gemüse schnippelnd, der andere an der Arbeitsfläche Fleisch malträtierend, sich dabei zu unterhalten, zwischendurch gemeinsam abzuschmecken (»Hier, probier mal!« - »Mmmh... Salz noch!«)? Nicht nur für Kinder. Und es ist allgemein bekannt, dass die Küche auch heute noch der beliebteste Raum jeder größeren Party ist, vorausgesetzt, es haben mehr als zwei Menschen darin Platz.

Insofern, liebe Architekten: Es braucht nicht einmal diese Kochinseln mit protziger Edelstahl-Esse, wie man sie gerne in Küchenkatalogen sieht (und nur dort), oder irgendwelche loftartigen Riesen-Wohn-Koch-Ess-Schlaf-Arbeitsräume. 15 qm Küche, einigermaßen quadratisch, wären ja schon genug, das gäbe ausreichend Platz für Ober- und Unterschränke und vor allem für einen normalen Esstisch für vier Personen, ausziehbar auf sechs. Dafür dürft ihr das Wohnzimmer gerne ein bisschen kleiner machen, denn da wollen wir gar nicht essen, sondern uns viel lieber satt auf der Couch fläzen mit einem Buch, bei Musik oder mit einem guten Film auf DVD.

Doch bei Rotwein bis weit in die Nacht diskutiert wird immer noch in der Küche.
»I have deleted you«, schrieb mir die Systemadministratorin. Inzwischen glaube ich, sie hat nur geblufft.

inside every fruit there's the pattern of its tree
Und immer wieder dieser Moment der Sehnsucht beim Anblick eines schwebenden Greifvogels.