Ich weiß nicht, wie ich diese Musik einsortieren soll. Multi-ethnisch? Weltmusik? Keine Ahnung, aber auch egal. Man hört typische Volksmusikinstrumente wie Mandolinen, Akkordeons, Tambourine und Violinen zu ungeschliffenen, balkanisch-romanesken Bläserklängen. Über allem der elegische Gesang des Mannes hinter Beirut, dem 19jährigen Multiinstrumentalisten Zach Condon aus New York bzw. Albuquerque, dem man irgendwie weder sein Alter noch seine Herkunft glauben möchte. Das Coverfoto wurde laut dem (ohne Lyrics leider sehr kurz gehaltenen) Booklet lose in einer Leipziger Bibliothek gefunden, wohl herausgerissen aus irgendeinem Buch. Bei soviel Ungewöhnlichem wundern dann auch Songtitel wie »Prenzlauerberg« und »Brandenburg« nicht mehr.

Ein Album wie ein staubiger Sommertag irgendwo in Südosteuropa. Hören Sie mal rein.

Postcards from Italy (mp3 / 5,0 MB)
Mount Wroclai (Idle Days) (mp3 / 3,8 MB )

»16. Juni am Strand, zur Kaffeezeit«, hatte sie ihm ins Ohr geflüstert, bevor sie ins Taxi stieg. Seither kam Oswald immer noch jedes Jahr, in der Hoffnung, sie wiederzusehen.
So herzlich und selbstverständlich aufgenommen zu werden. Sich überhaupt zuhause zu fühlen wie bei alten Freunden, unter Menschen, die man doch gar nicht kennt. (Was ja auch so ein Unsinn ist, denn - Kunstfigur hin, Selbstbeschränkung her - das Wesentliche schimmert immer durch.) Dazwischen ein Tag am eingezäunten Meer und einer in der großen, fußballverrückten Stadt, trotz diesigem Himmel und müden Füßen angenehm, spannend. Dutzende Fotos von Strandkörben hier, Containerterminals da, immer wieder Möwen im Flug. Und jetzt sitze ich hier, auf mein Festland zurückgekehrt mit vier schönen Tagen im Gepäck und sehne mich doch nach noch mehr Urlaub.
So, ein paar Tage Ruhe hier. Hamburg ist angesagt. Schönes Wochenende!
Jeder Mensch braucht einen, der ihn nicht immer ernst nimmt.

noch geschwächt vom nicht-mehr-aus-dem-Dachboden-Finden.
Eine Minute später glücklich durchgestartet.
Ich mag Veränderungen. Prinzipiell. Dachte ich.

Doch nun, nach über einem Jahr Rumgeeiere mit dem neuen, großen Projekt und der Umstrukturierung in der Firma mag ich nicht mehr. Wichtige praktische Entscheidungen, die nicht getroffen werden oder in falscher Sucht nach Konsens Monat für Monat rausgeschoben werden (und glauben Sie nicht, dass Eskalieren geholfen hätte), andauernde Unklarheit, was nun meine Aufgaben sind und was nicht und wie gearbeitet werden soll, nach-unten-Drücken der unerledigten und unentschiedenen Themen (Hauptsache, die Fantasie-Meilensteine werden erst einmal gehalten), Revierkämpfe beteiligter Abteilungen und Personen, Blockieren von Lösungen ohne das Risiko, dafür abgewatscht zu werden (ganz einfach, denn jedes große, neue Projekt ist ein einziges Henne-Ei-Problem), Blindleistung auf allen Ebenen.

Feierabend, ich bin's leid. Ich will hier etwas gestalten, etwas Sinnvolles tun. Aber dazu brauche ich eine definierte Aufgabe und einen geeigneten Entscheidungsspielraum. Wenn heute ein Gespräch mit dem Vorgesetzten nichts bringt, setze ich meine Ampel auf Rot. Weiterer Handschlag nur nach klarer Arbeitsanweisung.

Ich mag feste Strukturen. Prinzipiell. Merke ich.
Es ist ja oft so: Man lernt eine gute Geschichte oder Musik[*] in einer bestimmten Interpretation kennen und damit setzt diese Interpretation den Standard. Alle späteren (oder auch nur später kennengelernten) Versionen werden es schwer haben, dagegen zu bestehen. Die Sinfonie setzt ein, man schlägt die Augen auf, ruft: »Mama!«, und später wird keine andere Aufnahme je so klingen wie Mama - auch wenn wir auf der Party unserem Bekannten weismachen wollen, sie sei nur deswegen die beste, weil sie erstens und zweitens, und überhaupt so tun, als hätten wir uns bewusst für sie entschieden.

Jedenfalls.[**] Unter allen Pinocchio-Adaptionen ist meine Mama die italienische Verfilmung aus dem Jahr 1971. Ich weiß nicht mehr genau, wann und wo ich sie gesehen hatte, vermutlich war es wohl im Alter von sechs Jahren und in der ARD, wie man jetzt nachlesen kann. Auch hatte ich damals wohl mindestens eine Folge versäumt, soviel wusste ich noch. Woran ich mich aber vor allem erinnern kann, ist die Traurigkeit, die dieser Film mit seiner Titelmelodie (die ich seitdem nie vergessen hatte) und der alles andere als niedlichen Umsetzung in mir auslöste; eine große, schöne Traurigkeit angesichts der rauen Wirklichkeit eines italienischen Bergdorfs im Winter, des herzensguten Schreiners Gepetto, der so bettelarm ist, dass er sein Essen aus harten Brotresten mit Regenwasser zubereiten muss und sich zwischendurch im Stall eines Nachbarn am Esel wärmt, dann die vielen egoistischen und hinterhältigen Menschen rundherum und mittendrin der naiv-freche Lausejunge Pinocchio, durch Feenzauber zum Leben erweckt aus einer Holzpuppe, die sich Gepetto als Ersatz für einen Sohn geschnitzt hatte.

Wo doch in der ARD seit jeher Filme und Serien immer wiederholt und durch die Dritten Programme gereicht werden: diese hier merkwürdigerweise kaum, zumindest bekam ich sie nie wieder zu Gesicht oder erfuhr davon, dass sie noch einmal ausgestrahlt wurde. Stattdessen gab es nur die Zeichentrickserie, die sich überall als der Pinocchio durchsetzte, und mich nicht zuletzt aufgrund der Ähnlichkeit zu Heidi, Marco und den vielen anderen Serien mit ihren merkwürdig mimiklosen und großäugigen (wie ich später erfahren sollte: japanischen) Figuren eher abstieß. Zumal mit einem Mal eine Niedlichkeit zelebriert wurde, die dem alten Film abging. Schon dieser dämliche Titelsong: »Kleines Püppchen, freches Bübchen...«

Nee, diese Mama mochte ich nicht. Bislang war der Realfilm, in dem übrigens Schauspieler wie Nino Manfredi, Vittorio de Sica, Mario Adorf und Gina Lollobrigida mitspielen, außer in Form privat mitgeschnittener Videos auf Ebay wohl nicht zu haben. Das hat sich mittlerweile geändert; so gibt es zumindest eine konzentrierte Spielfilmfassung, die neben dem Originalton auch mit englischer Synchronisation aufwarten kann. Doch auch die komplette Serie, im Original fünf mal eine Stunde, habe ich endlich entdeckt, wenn auch leider ausschließlich auf Italienisch. Ein wenig Gegugel sowie eine halbe Stunde Webformularausfüllen später war die Doppel-DVD bestellt. Unter anderem musste dazu erst geklärt werden, was »Anagrafica / Ragione Sociale« sein soll (»Anrede«), wie man einen deutschen Ort in ein Webformular für italienische Orte bringt (»Äh, was schreib ich denn jetzt noch bei Località?«) und zudem bin ich jetzt stolzer Besitzer einer italienischen Steuernummer, die das Formular dringend von mir einfordern wollte und die letztlich eine andere Webseite freundlicherweise für mich erzeugt hat. Fragen Sie nicht, ich habe keine Ahnung.

Entgegen der Erwartung, gerade 21 Euro (inklusive Versand) im adriatischen Meer versenkt zu haben, kam die DVD keine 7 Tage später wohlerhalten an. Ausstattung, Beschreibung und Extras sind praktisch nichtexistent, aber die Hauptsache ist drauf. Und tatsächlich so ergreifend wie in meiner und der Möwe Erinnerung. Allein schon die stille, unaufgeregte Erzählweise ist eine Wohltat (bei aktuellen Kinderfilmen muss man ja schon froh sein, wenn nicht mittendrin ein Knirps anfängt zu räppen). Ton und Schauspieler sind für Italienischkundige auch ohne Untertitel gut verständlich. Die erste Folge haben wir jetzt angesehen, die weiteren sind an den nächsten Wochenenden dran. Einfach schön.

[*] funktioniert auch mit Betriebssystemen oder Automarken
[**] Formulierung beim Herrn undundund geklaut
Le avventure di Pinocchio,
ed. integrale (303 min, 2 DVD)

mit frischem Oregano, Tomate, Zucchini und Frühlingszwiebeln,
noch warmer Bohnensalat mit Schinken dazu
Wunderbare Geschichte. Die behutsame Formulierung im letzten Satz lässt Raum für weitere Freude.
Alkohol stiftete Verwirrung

Fürth (ots) – Am Donnerstag, 11.01.2001, rief ein 48-jähriger Zirndorfer um 02.20 Uhr die Polizei an und meldete, dass in seinem Wohnzimmer ein fremder Mann schläft. Die Polizei traf in der Wohnung in einer größeren Wohnanlage im Westen Zirndorfs zwei stockbetrunkene 48-jährige Männer an. Der Mieter erklärte, dass er gegen 22.00 Uhr betrunken vom Wirtshaus heimkam und vergessen hat, seine Wohnungstür zu schließen. Der andere Mann war ebenfalls auf einer Zechtour. Er wohnt in der Wohnanlage zwei Häuser weiter auf der selben Etage. Im Rausch verwechselte er den Hauseingang. Weil er im selben Stockwerk wohnt und weil die Tür sperrangelweit offen stand, war er der festen Überzeugung, in seine eigene Wohnung zu gehen. Hier wollte er auf dem Teppich seinen Rausch ausschlafen. Die Polizei brachte den Mann in die eigene Wohnung zurück. Dort wurde er schon von seiner Frau erwartet.
[© Bayerische Polizei 2001]
[Ich kam nur gerade drauf.]

Glücklich sank Linda zurück und strich Stanley zärtlich
eine Fluse von seiner verschwitzten Stirn.
»Seht die Fahrer auf der Mittelspur: Sie beschleunigen nicht und überholen nicht. Doch ich sage euch: Selbst Gottlieb Daimler war in all seiner Pracht nicht motorisiert wie einer von ihnen. Wenn aber Gott schon den Sonntagsfahrer so prächtig ausstattet, der heute den Verkehr behindert und morgen auf dem Parkplatz einem Schwächeanfall erliegt, wie viel mehr dann euch, ihr Kleinwagenfahrer!«
(Evangelium nach Lexus 12,27f.)
Auf dem kurzen, landschaftlich wunderschönen Stück, wo die A9 das Altmühltal kreuzt, liegt die kleine Stadt Greding. Bislang kannte ich (wie vermutlich viele) nur den weithin sichtbaren McDonalds - meine Söhne verlangen meist einen Besuch, wenn ich sie zum Kinderwochenende abhole und wir dort vorbei kommen. Nachdem ich sie heute vom Wochenende zurückgebracht hatte (und im Kindergarten vom Kleinen ein zünftiges Vatertags-Weißwurschtfrühstück hinter mir, wenn auch ohne Weizenbier), stieg ich dort auf der Rückfahrt endlich auch mal aus. Die romanische Martinskirche oben auf dem Hügel mit ihrem mediterranen Flair (Romanik in Bayern ist ja generell eine Wohltat zwischen dem ganzen Barock), daneben der Karner (Gebeinhaus) und dann vor allem die rundum erhaltene Stadtmauer mit ihren Zwergenmützentürmchen und idyllischen Gärtchen, all das ist auf jeden Fall mehr als nur eine kleine Rast wert. Schade nur, dass doch einige Geschäfte leer zu stehen scheinen und hinter der Hauptstraße mit ihren schmucken Stadtfassaden auch schon mal ein Gebäude vor sich hin rottet.

Erklären Sie das mal Ihren ausländischen Kollegen.
Da nimmt man sich vorsorglich frei, die Möwe auch, denkt: Hamburg!, und vergisst völlig, dass die Stadt am langen Fronleichnam-Wochenende voll von Freunden aus aller Welt sein wird. 50 Euro für ein Doppelzimmer sind schon nicht wenig Geld, aber 75 und mehr - nur aufgrund der WM - definitiv nicht drin. Wenn also niemand von meinen geschätzten Hamburger Leserinnen und Lesern auf die Schnelle eine Empfehlung hat, wo man zwischen dem 15.-18. Juni sonst noch übernachten kann, werden wir stattdessen gleich weiter Richtung Dithmarschen/Nordsee fahren (ganz wie es sich für Möwen und ihre Liebhaber gehört). Ein Tagesausflug nach Hamburg ist aber nach wie vor geplant; ich hoffe, dabei lässt sich auch jemand von euch kennenlernen - vielleicht bei einem Kaffee oder Bierchen?
Die Menschen waren früher höflicher. Familie, Leistungswille, christliche Werte. Jemanden am Boden liegenden hat man nicht auch noch getreten. Gegenseitiger Respekt. Weniger Gewalt. Sexuell anständig. Ordentlich. Aufrichtig waren die Leute. Haben nicht einfach weggesehen, wenn jemandem etwas angetan wurde.

Heute dagegen! Wie roh und schlimm alle geworden sind. Und weil die Menschen früher ganz anders waren - hilfsbereit, gewaltfrei, couragiert - , haben diese vielen anständigen, couragierten Menschen ja damals auch zugesehen, mitgeholfen, veranlasst, wie Millionen Menschen gedemütigt, deportiert, gequält, vergewaltigt, getötet wurden, haben die eigenen Nachbarn und Verwandten denunziert, sich an fremden Gütern bereichert oder vielleicht auch einfach nur weggesehen und ordentlich das Maul gehalten.
Ich gehe auf die Menschen zu, die mir ähnlich sind,
und der Spiegel, den ihnen meine Bilder vorhalten,
ist derselbe, in dem auch ich mich anschaue
(Willy Ronis)

Willy Ronis: L'homme seul, Noël
Merkwürdig, wenn nach Jahren, die ich mich schon für Fotografen der Agentur Magnum interessiere (allen voran Cartier-Bresson, aber auch Capa, Erwitt, Burri und andere), plötzlich ein weiterer Fotograf aus ihrem Umfeld auftaucht, dessen Namen ich zuvor noch nie gehört hatte: Willy Ronis. Er war unter anderem mit Robert Doisneau, Robert Capa und David Seymour Chim befreundet und lebte und fotografierte hauptsächlich in Paris und Frankreich. Selbst in einfachen Vierteln aufgewachsen, interessierten ihn in erster Linie einfache Menschen, Alltagssituationen, das Leben der Arbeiter: »Mich hat nie das besonders Ungewöhnliche, das nie zuvor Gesehene, das Außerordentliche gereizt, sondern stets das typischste Vorkommnis in unserem alltäglichen Leben.«

Jetzt hat mir meine Schwester den Band Willy Ronis - Gestohlene Augenblicke geschenkt, der auf 192 Seiten in vielen Bildern einen Querschnitt seines Schaffens von 1926 bis 2001 versammelt (er hat erst vor fünf Jahren, im Alter von 91, aus gesundheitlichen Gründen mit der Fotografie aufgehört). Ich kannte ihn wie gesagt nicht und bin vom ersten Durchblättern an begeistert. Seine Fotografien sind nicht nur oft berührend, dazu ästhetisch und handwerklich perfekt, sie haben auch nahezu immer eine Ebene, die über die reine Abbildung hinaus geht und weitere Assoziationen knüpft, so wie auf dem Foto, das aus einem Schulfenster heraus eine Reihe von Kindern draußen zeigt, die von einer Reihe kleiner Blumentöpfe und Pflänzchen auf der Fensterbank kommentiert werden. Oder die Besucher des Louvre, die - vor einem Gemälde einer Massenszene anlässlich einer Krönung stehend - selbst eine solche bilden und das Gemälde zu vervollständigen scheinen.

Ein erschwinglicher Band mit vielen großartigen Fotografien, die ohne Effekt und Knall daherkommen und in deren Betrachtung man sich versenken kann.