Wo verstecken die sich bei Tageslicht? Von den letzten Punkten im Rückspiegel hin zu den roten Lichtern an der nächsten Bergkuppe gleite ich seit über einer Stunde vorbei an einer einzigen, ununterbrochenen Kette von Lastwagen. Nicht nur an fahrenden. Noch der kleinste unbeleuchtete Rastplatz ist dicht, Lastzüge von überallher parken teilweise bis in die Autobahn zurück. Transporter an Transporter: Milch und Benzin, Autos, Tiere, Folien, Lebensmittel, Maschinen, Container und Kranteile, ich schwimme durch einen gigantischen Strom von Waren und Gütern; die LKW-Kolonnen bei Tag, über die man sich gerne ärgert, dagegen ein Plätschern. Ich werde heimlicher Zeuge des nächtlichen Nährstoffwechsels Europas.

»Fahr nach Hause, Kleiner,« rufen sie mir zu, wie sie in bis zu drei Reihen mit singenden Reifen nebeneinander fahren, »du hast hier nichts verloren«. Tatsächlich bin ich praktisch allein, erst nach unglaublichen 100 Kilometern Fahrt sehe ich den ersten anderen PKW in meiner Fahrtrichtung. Hunderte Male fuhr ich die Autobahn schon entlang, bei Nebelschwaden, Platzregen, in stillem Abendrot und bei Schneetreiben, ich sah sie unter Urlaubermassen ächzen und wie sie sich während eines WM-Spiels gähnend in der Sonne räkelte, ich dachte, ich kenne sie auswendig. In einer Dienstagnacht um drei hat sie mir ihr Doppelleben gestanden.
Aus tiefstem Herzen sehne ich mich nach dem Tag, an dem meine Ex keine Rolle mehr spielen kann, wenn es um irgendetwas zwischen meinen Söhnen und mir geht. Ich bin es leid, leid, leid.

In der Türkei drucken sie Noten und Kleinanzeigen auf Salzseen.

[viel schönere Salzsee-Fotos hier: klick]

Erst bei Ladenschluss bemerkte man Professor Kleinholz,
wie er starr und mit leerem Blick vor dem Snackregal stand.
»Sinupret Ice Tigers«
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), hat kurz vor der Islamkonferenz die Forderung von Muslimen nach getrenntem Sportunterricht für Jungen und Mädchen kritisiert. Dies sei alles andere als ein gelungener Auftakt für das zweite Zusammentreffen von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und Muslim-Vertretern am Mittwoch, sagte Böhmer der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Wir werden nicht zulassen, dass eine kleine Minderheit von Rückwärtsgewandten hier die Regeln ihrer Großväter zu installieren versucht", sagte sie. Kulturelle Vielfalt sei schön und bereichernd, betonte Böhmer. Sie ende aber dort, wo Deutschlands Grundwerte und -rechte in Frage gestellt würden. "Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist eines dieser nicht verhandelbaren Grundrechte." [quelle]
Sehr geehrte Frau Prof. Böhmer, lassen wir einen Moment kulturell-religiöse Beweggründe außer acht, die hinter mancher Forderung nach getrenntem Sportunterricht stehen mögen. Versetzen Sie sich in die Lage eines Mädchens zwischen 11 und 16 (egal welcher Herkunft), wie es mit der plötzlichen Verweiblichung seines Körpers zurecht kommen muss. Erinnern Sie sich, welchen Blicken, Bemerkungen und auch Nachstellungen Mädchen seitens gleichaltriger Jungen ausgesetzt waren, ganz besonders die mit deutlich sichtbaren Kurven? Wie sehr manche Mädchen darunter litten und folgerichtig regelmäßig den Sportstunden fernblieben?

Es gibt also gute Gründe, die »Regeln der Großväter«, wie Sie es nennen — im Übrigen die unserer eigenen —, teilweise wieder zu installieren und zumindest in bestimmten Fächern jugendliche Jungen und Mädchen getrennt zu unterrichten. Wie es im Übrigen viele Schulen seit den Neunzigern wieder tun, in den Naturwissenschaften, aber gerade auch im Sportunterricht. Sie selbst sind Professorin für Pädagogik, waren zudem acht Jahre lang Landesfrauenbeauftragte in Rheinland-Pfalz, man darf also unterstellen, dass Sie die schulischen Interessen heranwachsender Mädchen zu vertreten wissen. Welche Gründe sprechen dann Ihrer Meinung nach für eine Koedukation im Sport? Inwiefern würde durch eine Abschaffung die Gleichberechtigung der Geschlechter infrage gestellt? Würde die nicht im Gegenteil gerade gestärkt, weil Mädchen Entwicklungsmöglichkeiten bekämen, die ihnen im gemeinsamen Unterricht verwehrt sind?

Mir drängt sich ja unterdessen ein ganz anderer Eindruck auf. Dass es hier nämlich überhaupt nicht um die Sache selbst geht, sondern nur darum, im Vorfeld der »Islamkonferenz« jegliche Forderung mit einem Blankovorwurf zu diskreditieren.

  
ohne Wolken, »our fluffy friends«, wie Gavin Pretor-Pinney, Gründer der Cloud Appreciation Society sie nennt? Bedrückend, gnadenlos, öde. Nicht nur würden ohne ihren Niederschlag die Luft verdrecken und Pflanzen eingehen — wie Pollenallergiker und Gartenbesitzer im Moment sicher gerne bestätigen. Wolken sind auch Vehikel, auf denen unsere Gedanken reisen können und gleichzeitig lässt sich an ihnen die momentane Laune der Atmosphäre ablesen.

Die zwei unabhängigen Betrachtungsebenen, nämlich die Schönheit der Wolken, ihre Rezeption über die Jahrhunderte einerseits und ihre Physik andererseits, führt ein ganz hervorragendes Buch zusammen: The Cloudspotter's Guide von besagtem Herrn Pretor-Pinney. (Erst heute habe ich entdeckt, dass es auch eine deutsche Übersetzung davon gibt, siehe unten.) Er strukturiert seinen Rundumblick im Wesentlichen anhand der offiziellen zehn Wolkengattungen sowie ein paar Begleitphänomenen. Hauptsächlich lernen wir also, was Cumulus, Cumulonimbus, Stratus, Stratocumulus, Altostratus, Altocumulus, Nimbostratus, Cirrus, Cirrocumulus und Cirrostratus sind (abgesehen davon, verwirrend ähnliche Wörter zu sein), wie man sie voneinander unterscheidet, wie sie entstehen, in welchen Unterarten und Variationen sie auftreten und was sie über das Wetter erzählen. Nebenher erfahren wir zudem, wie welche Arten von Niederschlag entstehen, Wolken und Eiskristalle in der Atmosphäre bestimmte optische Effekte hervorbringen, wie man künstlich Regen erzeugt, Kalt- und Warmfronten Wetter und Wolkenbild verändern und so weiter, ohne dass das Buch jemals in eine Physikvorlesung abgleitet. Pretor-Pinney findet eingängliche Beispiele und Metaphern, mit denen sich die Vorgänge verstehen lassen, kehrt aber danach immer wieder zur Bedeutung und Poesie der Wolken zurück.

Dabei pflegt er einen unterhaltsamen, angelsächsisch-ironischen Ton, nimmt seine eigene Begeisterung gerne auf die Schippe und versteht es, die vielen Fotos, Tabellen und Diagramme mit witzigen Unterschriften und Details zu würzen. Beispielsweise das »Foto« einer gleichmäßig grauen Fläche (»It is not hard to see why some call Altrostratus the boring cloud«), oder eine Tabelle mit Niederschlagsarten nach Wolkentyp, in der neben Hagel, Schneeflocken usw. eine Spalte »Cats and Dogs« versteckt ist. Es macht Spaß, das Buch zu lesen und sich von seiner Wolkenbegeisterung anstecken zu lassen. Nur an einer Stelle fühlte ich mich angegriffen, wenn es im Manifest der Cloudspotter nämlich heißt: »We pledge to fight “blue-sky thinking” wherever we find it.«. Man muss ja nicht gleich persönlich werden.

Der Cloudspotter's Guide ist trotz der lockeren Aufbereitung kein Buch, das sich ratz-fatz weglesen ließe; es erfordert Aufmerksamkeit und manches Zurückblättern. Denn gewisse Phänomene sind zu komplex, als dass sie sich beim allerersten Lesen erschlössen, und der Haufen lateinischer Begriffe aus der Klassifikation will auch gemerkt sein (»If all this Latin freaks you out, don't worry — it freaks me out, too«). Aber, ich kann versprechen, die Mühe lohnt. Sie werden nach der Lektüre den wolkenbestückten Himmel wacher und mit neuen Augen sehen. Und er wird an dramatischer Schönheit nichts verlieren, auch wenn Sie jetzt wissen, dass da gerade in der untergehenden Sonne eine Cirrocumulus floccus undulatus über einer Herde Cumulus mediocris schwebt. Vorausgesetzt natürlich, Sie gehen anderen damit nicht auf die Nerven.
Gavin Pretor-Pinney, The Cloudspotter's Guide
Deutsche Ausgabe: Wolkengucken — Ein Handbuch
Website: Cloud Appreciation Society
Wikipedia: Wolkenklassifikation
Antville-Fotoblog: Cloudscapes
Es fiele nicht schwer, mich süffisant über die Flugreisenden auszulassen, das Hotel an der türkischen Riviera (»all inclusive«) und insbesondere seine ausschließlich deutschen Gäste. Aber warum sollte ich. Die Reise war preiswert und unverhofft, das Essen war gut und an der gebotenen Animation muss man sich ja nicht beteiligen. Anfangs plagte mich noch eine innere Unruhe, die mir einflüsterte, alle Sehenswürdigkeiten der Umgebung abklappern und knipsen zu müssen. Doch dann erinnerte ich mich, wie durch und durch entspannend es ist, Zeit mit nichts anderem zuzubringen als am Strand zu liegen. Zurückgerechnet muss es wohl mit 19 gewesen sein, dass ich zuletzt mehr als zwei Tage hintereinander so verbracht hatte.

Im Schatten ein Buch lesen. Wieder den Liegestuhl in die Sonne schieben, die Augen schließen und die Wärme aufsaugen. Zwischendrin ins Meer springen und weiter draußen mit ausgezogener Badehose in der Hand umherschwimmen, innerlich grinsend über den teeniemäßig heimlichen Spaß. Noch abends nach Sommer riechen, nach Salz und Sonnenmilch. Sich im Spiegel gefallen, ausgeruht und entspannt, und wie die grünen Augen mit der Farbe im Gesicht plötzlich leuchten.

Dankbar sein, dass mich die Möwe an dem Montag zum Flughafen geschleppt hatte um diesen Last-Minute-Flug zu finden, wo sie selbst nicht einmal mitkommen konnte.
Prerow ist ein kleiner, traditionsreicher Badeort mit gerade einmal 1500 Einwohnern, der sicher schon bessere Zeiten gesehen hat. Zu DDR-Zeiten sollen hier bis zu 20000 Badegäste in der Woche ihre Ferien verbracht haben, nicht wenige davon in Freikörperkultur an Deutschlands größtem FKK-Strand. Natürlich lebt der Ort immer noch in erster Linie vom Tourismus, wovon die vielen Ferienwohnungen-Schilder und Fahrradverleihe künden, und so mancher Neubau steht zwischen alten, oftmals rohrgedeckten Häuschen einerseits und schmucker, maximal zweistöckiger Bäderarchitektur andererseits.

Ich mag das. Aus der Nähe betrachtet
jedoch auch stark sanierungsbedürftig.
Irgendwie wurde nach der Wende wohl verpasst, der Gemeinde dauerhaft Einnahmen für den Ausbau der Infrastruktur zu sichern. So sind viele Wohnstraßen immer noch nicht asphaltiert und nicht wenige Häuser und Ecken könnten Sanierung vertragen. Ein Euro Kurtaxe pro Übernachtung reißt da sicher nicht allzuviel. Unsere in dieser Beziehung frustrierte Vermieterin erzählte, man habe zum Beispiel völlig unverständlicherweise den ehemals großen Zeltplatz aufgegeben, auf dem früher alleine wohl bis zu 10000 Gäste campierten. Der Nachbarort Zingst habe es dagegen besser gemacht. Dass Zingst deutlich besser ausgebaut und hergerichtet wurde steht außer Frage. Und dadurch, dass es nicht wie Prerow durch einen Streifen Wald vom Meer getrennt ist, hat es sowieso einen ganz anderen Grundcharakter. Aber, und das ist die Crux, offensichtlich ließ man die Bagger auch eine Menge Charme abtragen und durch gesichts- und geschichtslose Tristesse ersetzen.

Büsum? Zingst? Bad Kissingen?
Charme, den der kleine, verlebtere Bruder Prerow wohl gerade aufgrund seiner Patina und Ostigkeit zweifellos besitzt. Ich stelle mir diese Gratwanderung zwischen Tradition und Erneuerung nicht einfach vor; beide Orte haben sie jedenfalls nur teilweise gelöst.
Sich angesichts der wenigen verfügbaren Tage vergleichsweise verbissen erholen zu wollen steht immer unter einem wackligen Stern. Entsprechend fuhren wir ausgerechnet in den vier Tagen fort, an denen uns zuhause ungeahnte Frühlingstemperaturen umschmeichelt hätten, wohingegen an der Ostsee dicke Wolken und ein steifer Wind mit gefühlten fünf Grad Celsius auf uns warteten. So liefen wir am Sonntagabend und den ganzen Montag über eingepackt samt Stirnband und Schal durch Prerow und Zingst. (Ich fand ja, die Möwe sah aus, als trüge sie Burka. Für diese zweifellos richtige Beobachtung erntete ich allerdings ein Grummeln.) Am endlos scheinenden, feinsandigen Strand war es wegen des Winds nicht lange auszuhalten, es sei denn, man setzte sich eine Weile in einen der wenigen hingewürfelten und freundlicherweise unverschlossenen Strandkörbe.

flatter. flatter. flap.
Was der Küstenbewohner über unser Kälteempfinden denkt, wurde uns unmissverständlich gedeutet, als wir im »italienischen« Eiscafé saßen, um uns bei einem Milchkaffee zu wärmen. Auf meine Bitte schloss einer der vier deutschen Jungspunde, die hinter der Theke lungerten, die offene Eingangstür zwar ohne Widerspruch, aber nur um sie schnurstracks hinter unserem Rücken wieder aufzureißen, als wir das Café wenig später wieder verließen.

Der nächste Tag bescherte uns mehr Wetterglück. So war zwar der Wind nicht weniger oder wärmer geworden, aber zwischen den vorbeifliegenden Wolken riß es immer wieder auf. Wir liehen uns Räder und radelten durch den großen, geschützten Wald zum Weststrand. Knorrig, moosig, versumpft. Mystisch.

Märchenwunderwald
Am Ende des Wegs schließlich der Strand. Kein Kommerz, keine Autoparkplätze im Umkreis von Kilometern, kaum Menschen. Nur Wellen, Himmel, geheimnisvoll wechselndes Licht und Bäume, die ihre knochigen Finger in den Wind reckten. Der Augenblick, für den sich die ganze weite Fahrt gelohnt hat.

Urlaub. Wenn alles andere weit weg ist.
Am nächsten Morgen ging es wieder zurück, mit einem Tag Fürstenwalde dazwischen (und ein paar Stunden Berlin, wo wir mit dem auch realiter erzsympathischen Herrn Undundund einen Kaffee getrunken haben) schließlich nach Hause, wo auf dem Balkon ungeahnte Sommertemperaturen umschmeicheln. Doof nur, dass die Möwe schon wieder arbeiten muss.

[Noch ein paar Fotos in den Kommentaren.]
Frohe Ostern, ihr Lieben.
(ganz besonders auch du, bayerischer Rundfunk): Es wäre schön, wenn ihr die weitgehend irrelevante private Weltsicht alter Männer, deren eigene Erfahrung von Familienleben etwa ein halbes Jahrhundert zurückliegen dürfte (von der Realität im Arbeitsleben ganz zu schweigen), nicht als den Standpunkt der katholischen Kirche verkaufen würdet, nur weil sie zufällig kirchliche Ämter bekleiden. Und — man kann von Frau von der Leyen und ihrem Programm halten, was man will — die Tatsache, dass hier seit Wochen keinerlei Argumente, sondern hauptsächlich persönliche Angriffe, vermischt mit einer verquasten Mutterkindideologie serviert werden (gerne auch gewürzt mit etwas DDR-Bashing), sollte euch langsam Grund genug sein, der eitlen Darstellung des Herrn Mixa keine weitere Aufmerksamkeit mehr zu schenken. Vielen Dank.

(Tagesschau und Online-Redaktion des BR machen es übrigens besser in der Einordnung als z. B. das Radio B5 Aktuell, dpa und Reuters, wo wiederholt von »kirchlicher Kritik« die Rede war.)


  

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